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Coronavirus im Kreis Soest: Hausärzte müssen sich komplett umstellen

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Von: Holger Strumann

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In den Hausarztpraxen wird auf Abstand geachtet.
In den Hausarztpraxen wird auf Abstand geachtet. © privat

Mit sogenannten Infektions-Sprechstunden reagieren die Hausärzte auf die sich ausbreitende Corona-Epidemie. Aber nicht überall gleich.

Kreis Soest – Mit sogenannten Infektions-Sprechstunden reagieren die Hausärzte auf die sich ausbreitende Corona-Epidemie. Parallel dazu sollen die Sprechzeiten in der Soester Notdienst-Praxis am Riga Ring, die derzeit zu einem Corona-Behandlungszentrum umorganisiert worden ist, deutlich ausgeweitet werden. In Werl gehen die Hausärzte noch einen Schritt weiter und nehmen im Verdachtsfall selber die Abstriche für den Corona-Test vor. 

Derweil müssen Patienten, die einen Check-Up oder eine Vorsorgeuntersuchung vornehmen lassen wollen, diese „Regeltermine“ verlegen. Die Berufsverbände haben das angeraten. 

Die Tür an seiner Praxis und der seiner Kollegen bleibt neuerdings geschlossen, sagt Dr. Heinz Ebbinghaus, der Sprecher der örtlichen Hausärzte. Wer in die Praxis will, muss klingeln. Weil es oft nur um ein Rezept geht, muss der Patient auch gar nicht mehr die Praxis betreten, sondern bekommt seine Verschreibung an der Tür ausgehändigt. 

Ansonsten gilt: „Der normale Betrieb wird runtergefahren.“ Manche Patienten rufen sogar von sich aus an und erkundigen sich, ob der vereinbarte Termin nicht verschoben werden könne. Es hat sich herumgesprochen, wie sinnvoll es dieser Tage ist, mit möglichst wenigen Menschen in Kontakt zu treten. 

Wer hingegen Husten, Schnupfen, Heiserkeit oder gar Fieber und Luftnot spürt und sich womöglich sorgt, er könnte corona-infiziert sein, geht zum Arzt. Nach telefonischer Ankündigung und zum fest vereinbarten Termin in die Infektions-Sprechstunde.

Coronavirus im Kreis Soest: Telefonischer Termin zur Infektionssprechstunde

„In dieser Zeit tragen wir die komplette Schutzkleidung samt Maske und Handschuhen“, erläutert der Arzt. Ist das extra für diese Infektions-Sprechstunde reservierte Zimmer gerade besetzt, wird der Patient gebeten, im Auto zu warten. „Ich hole ihn von dort ab und bringe ihn anschließend zurück nach draußen“, schildert Ebbinghaus. 

Bei den allermeisten Patienten kann er nach der Untersuchung Corona ausschließen, die haben wie in dieser Jahreszeit üblich grippale Infekte. Immerhin bei drei Patienten in den vergangenen anderthalb Wochen deutete aber viel auf eine Corona-Infektion; für diese Patienten wird ein Abstrich-Termin vereinbart. 

In Soest wenden sich dazu die Patienten an die Mikrobiologische Praxis neben dem Klinikum im Westen der Stadt, in Werl nehmen Hausärzte selber den Abstrich vor. 

Abstrich vor der Tür im Auto des Patienten 

„Aber nicht in der Praxis, sondern draußen vor der Tür im Auto des Patienten“, erläutert der Werler Hausarzt Dr. Christoph Viergutz. Sechsmal hat er das gemacht, bis jetzt gab es nur negative Ergebnisse. Bevor es überhaupt zum Abstrich kommt, fragen die Ärzte nach Aufflieger Atemnot, Brustschmerzen, verändertem Geschmacksempfinden, Kopfschmerzen und nach Kontakten zu bereits Infizierten. 

Bis das Ergebnis des Tests feststeht – und das kann mehrere Tage dauern –, soll sich der Betreffende zu Hause in Quarantäne aufhalten. Dort bleibt er auch, wenn der Erreger nachgewiesen wurde und die Krankheit milde verläuft oder womöglich so gut wie keine Symptome auftreten. 

Für die Patienten mit starken Beschwerden ist seit ein paar Tagen die Notdienstpraxis am Riga Ring zu einem Corona-Behandlungszentrum hergerichtet worden. Zentral nicht nur für die Soester Patienten, sondern für alle aus dem gesamten West-Kreis. In Kürze öffnet sie nicht nur abends und am Wochenende ihre Türen, sondern auch schon nachmittags. Zum Glück sind zusätzliche Ärzte – zum Beispiel pensionierte – dem Aufruf der Kassenärztlichen Vereinigung gefolgt und lassen sich für die derzeit anfallende Mehrarbeit einspannen. 

„Das alles hat eine Dynamik angenommen, mit der wir nicht gerechnet haben“, sagt Ebbinghaus. Doch er warnt weiterhin vor unnötiger Panik. Man lerne jeden Tag dazu, zumal niemand jemals eine solche Situation erlebt habe. Bei vielen Patienten herrsche Verunsicherung, auch weil viel zu oft die Begriffe auseinandergehen. 

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Der Arzt nennt ein Beispiel: Wenn derzeit von annähernd 40000 Infizierten in Deutschland die Rede sei, bedeutet dies eben nicht automatisch 40000 Kranke. Ganz im Gegenteil: Nur ein sehr kleiner Teil von ihnen habe schwere Folgen zu fürchten. Den größten Ansturm in Werl hat Dr. Viergutz Anfang voriger Woche erlebt, als landesweit das öffentliche Leben runtergefahren wurde. Bis zu 300 Patienten meldeten sich am Tag in seiner Praxis. Auch wegen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die es seither unkompliziert am Telefon gibt. Viergutz schließt nicht aus, dass von dieser unbürokratischen Methode, sich krankschreiben zu lassen, auch reichlich Trittbrettfahrer Gebrauch gemacht haben.

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