Bad Sassendorf: Landwirte diskutieren auf Haus Düsse über die Sicherheit von Lebensmittelanbau

Im Landwirtschaftlichen Versuchs- und Bildungszentrum Haus Düsse trafen sich auf Einladung des Vereins Westfalen mit Vertretern des Westfälisch-Lippischen Bauernverbandes und der Landtagsfraktion der Grünen mit Landwirten.
Kreis Soest – „Ist die Lebensmittelversorgung gesichert?“ Das ist eine Frage, die derzeit so manchen Bürger beschäftigen dürfte – dies wohl am ehesten vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges, der die Tür zur Kornkammer der Welt von außen weitgehend verrammelt hat. Diese Frage war am Mittwochabend auch das Thema einer Podiumsdiskussion im Landwirtschaftlichen Versuchs- und Bildungszentrum Haus Düsse. Der Einladung folgten vornehmlich Landwirte, und für die sind mit Blick auf diese Frage die Folgen von Putins Eroberungsfeldzug nur ein Nebenkriegsschauplatz – ihre Schlacht dreht sich nicht um ukrainischen Weizen oder russisches Gas, sondern um ein Leverkusener Pflanzenschutzmittel: Glyphosat.
Glyphosat
So verwundert auch nicht die Zusammensetzung auf dem Podium. Moderator Manfred Müller ist Ex-Bürgermeister von Lichtenau und Ex-Landrat des Kreises Paderborn, vor allem aber Vorsitzender des gastgebendes Vereins Westfalen, der sich als Interessensvertretung für die Bürger in den Regierungsbezirken Arnsberg, Detmold und Münster sieht, oder wie er es selber formulierte, als „bürgerschaftlicher Arm Westfalens“. Er begrüßte Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Bauernverbandes, und Norwich Rüße, Sprecher für Landwirtschaft, Natur und Umwelt der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen – was den Themenkomplex Artenschutz vs. Pflanzenschutz angeht, beziehungsweise das Pro und Contra von Glyphosat, vertreten die beiden also diametral entgegen gesetzte Positionen, obwohl der studierte Historiker und Biologe Rüße im Nebenerwerb den von seinen Eltern übernommenen Bauernhof bewirtschaftet – als Bio-Hof.
Kriegszeiten
„Wir wollen Westfalen stärken, uns interessiert die Versorgungssicherheit und dass diese bezahlbar ist“, so Müller in seiner Einleitung über die Motivation zu diesem Abend. Diesbezüglich seien Kriegszeiten immer kritischen Zeiten, „wir sollen offenbar alle verzichten – mal schauen, wohin das führt. Wenn etwas knapp wird, wird es meistens teuer. Weniger zu heizen, ist das eine, nicht genug zu essen zu haben, das andere.“ Doch Deutschland sei zu 88 Prozent unabhängig von Ressourcen aus dem Ausland – andere Länder hätten da deutlich größere Probleme durch die Abhängigkeit vom ukrainischen Weizen, „sie hängen am ukrainischen Weizentropf wie wir am russischen Gastropff“, so Rüße. Beringmeier sah es negativer: „Im Moment ist die Versorgungssicherheit gegeben, aber wir drohen in eine ähnliche Abhängigkeit bei Lebensmitteln zu geraten wie bei der Energie. Wenn ich unter Erhaltungsbedarf der Pflanzen dünge, ist das nicht über Jahre durchzuhalten. Wir sind an einem Punkt, an dem die Landwirte kaum noch bereit sind, etwas freiwillig zu machen, was über das verlangte Maß hinausgeht.“
Globale Ernährungskrise
Rüße sieht die Auswirkungen des Krieges zunächst noch im Ausland: „Wir haben eine globale Ernährungskrise, die dadurch verstärkt und sichtbar gemacht worden ist. In den Ländern, die voranging das Getreide abnehmen, herrscht Misswirtschaft nach jahrzehntelangen Bürgerkriegen. Wir haben die Aufgabe, zu schauen, wie sie dort wiederaufgebaut werden kann.“ Klar, dass Rüße in dieser Diskussion den schwarzen Peter hatte, dennoch lief der Abend sachlich ab – wenn man absieht von einem ersten Zwischenrufer, der von Müller zur Ordnung gerufen werden musste, und Einwänden, dass das Bienensterben ja vorbei sei, am Klimawandel doch die Sonne eine Mitschuld trage. So schilderte Markus Westerfeld, Landwirt aus Erwitte, wie er sich auf dem Rückweg der Traktoren-Demonstration Anfang der Woche in Bonn ausgemalt habe, wie sich die Börde bei einem Verbot von Pflanzenschutzmitteln entwickeln könnte: „Viele Betriebe werden aufgeben, ich schätze, 70 Prozent. Und was baue ich dann an? Kleegras, um die anderen Flächen damit zu düngen? Dazu muss ich dann alle vier Wochen mähen, das ist richtig gut für die Böden, die es zu schützen gilt.“ Er sieht eine Lösung einer gesunden Durchmischung von Bio und konventionell, „denn nicht nur der Biobauer macht was gut. Mein Vorschlag: besser auf gesündere Sorten umzüchten, auf schädlingsresistentere Pflanzen. Bitte setzen Sie sich ein dafür in der EU und bei Cem Özdemir“, wandte er sich an Rüße. Immerhin, die 50 Anwesenden suchten noch das Gespräch mit dem Politiker. Denn, so bilanzierte ein Besucher, der Erwitter Landwirt Heinz-Georg Büker, nach Gesprächen mit Kollegen nach deren Rückkehr von besagter Demo in Bonn, „die trauen der Politik nicht mehr“.