„Gefühlt lässt der Respekt bei vielen nach, während die Anspruchshaltung immens steigt. Viele sehen die Feuerwehr als ,Mädchen für alles’ und erwarten, dass die Einsatzkräfte das tun müssen, was der Bürger ihnen befiehlt“, sagt Ahle. Für diejenigen, die an Unfallstellen zum Verkehr-Rambo werden und sich damit sogar strafbar machen, sei in diesen Momenten „alles wichtiger, als der Schwerverletzte, der auf der Straße liegt und die Menschen, die sich um ihn kümmern“, ärgert sich der erfahrene Feuerwehrmann.
Man müsse als Einsatzkraft nicht mehr nur noch darüber nachdenken, wie das Feuer am besten gelöscht oder das Unfallopfer am besten gerettet werden könne – gleichzeitig müssten die Helfer immer darauf achten, was sie im Einsatz anderen Menschen gegenüber sagen, wie sie sich am geschicktesten verhalten, um nicht zur Zielscheibe verbaler Angriffe zu werden. „Das ist einfach nur schlimm“, sagt Ahle über die Bilder aus Berlin, die Böller-Angriffe auf Rettungskräfte dokumentieren. „Das hatten wir zum Glück noch nicht, aber Beleidigungen und Pöbeleien kommen immer häufiger vor.“
Den Werler Feuerwehrchef Karsten Korte machen die Bilder von den Angriffen auf Rettungskräfte in Berlin „einfach nur sprachlos“. Das seien schlicht Verbrechen, die dort stattgefunden haben. Das dürfe man nicht verallgemeinern, aber auch nicht verharmlosen. Wie in anderen Kommunen des Kreises Soest sei die Situation in Werl zum Glück eine andere. Die Feuerwehr sei in der Stadt und den Dörfern gut verwurzelt: „Hier kennt man sich noch.“
In Werl habe es bislang nur Einzelfälle von mangelndem Respekt gegenüber Einsatzkräften gegeben, sagt Korte. Auch einen negativen Trend sieht er für die Wallfahrtsstadt nicht. In der jüngsten Silvesternacht habe es keinen einzigen vergleichbaren Vorfall gegeben. Abgesehen davon, dass Vandalen die Weihnachtsbaumbeleuchtung zerstört haben. Was die Feuerwehr durchaus mit Sorge betrachte, sei aber der oft sorglose Umgang mit Feuerwerkskörpern. So hätten die Einsatzkräfte zum Beispiel Feierende gesehen, die Raketen aus der Hand gestartet haben: „Die wissen gar nicht, in welche Gefahr sie sich und andere dabei bringen.“ Angesichts solcher Bilder könne man nur von Glück sprechen, dass sich die Einsatzzahl noch in Grenzen hielt.
Doch das alles sei nicht mit Szenen wie in Berlin vergleichbar. „Man muss den Feuerwehrleuten Respekt zollen, dass sie trotzdem noch zu Einsätzen rausgefahren sind, obwohl sie zum Teil Angst um ihr Leben haben mussten.“ Korte fürchtet auch, dass es angesichts solcher Bilder Feuerwehren künftig schwerer fallen könnte, Nachwuchs zu gewinnen.
Von einem Fahrzeughersteller habe er erfahren, dass es inzwischen in einer Großstadt schon üblich sei, die Scheiben neuer Einsatzfahrzeuge zu folieren, um besser gegen splitternde Scheiben geschützt zu sein. Bis vor Kurzem hätten das noch viele für völlig überzogen gehalten. Wie viele andere Feuerwehren haben auch die Werler den Slogan „Keine Gewalt gegen Einsatzkräfte“ über die sozialen Netzwerke geteilt. Doch eigentlich, so findet Korte, sei es schlimm, dass man für so eine Position überhaupt Werbung machen muss.
Hans-Peter Trilling, Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes im Kreis Soest, berichtet, dass es auch hier hauptsächlich verbale Entgleisungen seien: „Einige wenige Bürger beschweren sich, äußern sich lautstark, vereinzelt wollen sie Auseinandersetzungen anfangen.“ Zum Anlass nehmen sie unter anderem die Lautstärke der Einsatzfahrzeuge bei Alarm-Fahrten oder das Parken auf der Straße an Einsatzstellen. Gleichzeitig gebe es auch Patienten, die im Zuge einer Drogen-Überdosis oder krankheitsbedingt über die Stränge schlagen. „Angesichts der Vielzahl der Einsätze ist ein solches Verhalten die seltene Ausnahme. Natürlich wird das Thema bei uns seit vielen Jahren regelmäßig aufgegriffen. Unter anderem wird darauf in Einsatznachbesprechungen und jährlichen Fortbildungen eingegangen“, schildert Trilling. So gebe es unter anderem Deeskalationstrainings für Einsatzkräfte.
Alessandro Masso, Kreisgruppenvorsitzender der Polizeigewerkschaft im Kreis Soest, unterstreicht: „Die Ereignisse in Berlin und anderen Teilen Deutschlands sind schockierend. Dass Rettungskräfte, die Polizei und die Feuerwehr rücksichtslos angegriffen und sogar in Hinterhalte gelockt werden, ist nicht hinnehmbar. Auch in NRW kam es zu Ausschreitungen. 45 verletzte Polizeibeamte und 250 Festnahmen gab es an Silvester in unserem Bundesland. Zu solchen Bildern wie in Berlin ist es im Kreis Soest zum Glück nicht gekommen. Aber auch hier hatten die Kollegen alle Hände voll zu tun. Es kam zu unzähligen Straftaten, die bearbeitet werden mussten. Hierbei ist es zu mehreren Festnahmen und Widerständen gegen Vollstreckungsbeamte gekommen. Auch die GdP Soest fordert, dass jeder gezielte Angriff auf einen Menschen in Uniform verfolgt und konsequent bestraft wird.“
Kai Weets kann immerhin von einem positiven Eindruck berichten, der auch bei anderen Feuerwehren regelmäßig wahrnehmbar ist: „Gerade auf den Sozialen Netzwerken bekommen wir in Kommentaren und Nachrichten viel Zuspruch. Viele Menschen bedanken sich für unsere ehrenamtliche Arbeit.“ Dankbarkeit und Respekt sind es, die die meisten Feuerwehrleute im Kreis Soest antreiben, bestätigt auch Donat Ahle.
An diejenigen Personen, die es den Einsatzkräften in welcher Form auch immer schwer machen, betont Ahle: „Gott sei Dank hat es noch keine Gewalt-Angriffe auf uns gegeben. Doch verbale Angriffe tun auch weh, da sitzen die Schmerzen anderswo.“