Laut Istanbul-Konvention, einem völkerrechtlichen Vertrag, den der Europarat erst in diesem Monat ratifiziert hat (siehe Infokasten), ist je 10 000 Einwohner ein Platz in einem Frauenhaus vorzuhalten. Für den Kreis Soest mit 300 000 Einwohnern wären das 30 Frauenhaus-Plätze. Seit 33 Jahren ist die Frauenhilfe Westfalen Trägerin des Frauenhauses im Kreis Soest. Die Bereitschaft zum Ausbau ist vorhanden, mehr als das: Einen Antrag auf Fördergelder für eine bauliche Erweiterung hat sie sogar schon gestellt, berichtet die Leitende Pfarrerin Birgit Reiche. Das zuständige NRW-Ministerium hat ihn befürwortet und nach Berlin weitergeleitet. Das war im November 2021. Seitdem: „Still ruht der See“, sagt Reiche. Im Sommer habe die zuständige „Bundesservicestelle“ auf eine Rückfrage hin erklärt, im Herbst sei mit einer Antwort zu rechnen, zuletzt war vom ersten Quartal 2023 die Rede. Bisher ist nichts passiert.
Die Frauenhilfe strebt an ihrem Standort eine Verdopplung der Frauenplätze an. Allein die nötigen baulichen Veränderungen hätten ein Volumen von 1,2 Millionen Euro. Geld, das theoretisch beim Bund dafür zur Verfügung steht. Mindestens eine Personalstelle mehr im Erwachsenen- und eine im Kinderbereich müsste zusätzlich entstehen, wenn die Platzzahl steigt. 16 Plätze sind besser als acht, von 30 ist die Zahl dann aber immer noch weit entfernt. Ein zweites Haus müsste her, denn die 30 Frauen samt Kindern in einem Haus unterzubringen, verkrafte ein einziger Standort, seine Schul- und Kita-Infrastruktur, nicht. Grundsätzlich wäre die Frauenhilfe bereit, auch ein zweites Frauenhaus im Kreis zu betreiben. Das Knowhow ist vorhanden, die Strukturen stünden zur Verfügung. „Wir wären auch bereit, das Risiko zu tragen. Das tut die Frauenhilfe schon aus ideologischen Gründen“, sagt Birgit Reiche. „Aber: Wir fungieren nicht als Feigenblatt für die Politik. Die Grundausstattung muss steuerlich finanziert sein.“
Vier fest angestellte Mitarbeiterinnen hat das Frauenhaus, finanziert werden sie aus der Landespauschale von zurzeit 7000 Euro je Frauenplatz und Jahr und einem Zuschuss des Kreises Soest. Die Wohnkosten trägt, je nach Anspruch der betroffenen Frau, das Jobcenter – oder die Frau selbst. „Wir sind verpflichtet, einen Tagessatz zu erheben“, beschreibt Maike Schöne. Frauen, die vor Gewalt fliehen, erhalten also eine Rechnung. In der Kreispolitik ist das Thema angekommen. Zu Monatsbeginn waren Reiche und Schöne bei der Grünen Fraktion zu einem Fachgespräch eingeladen.