1. Soester Anzeiger
  2. Lokales
  3. Ense

Wunderkind entdeckt: 16-Jähriger bringt sich selbst Klavierspielen bei

Erstellt:

Von: Klaus Bunte

Kommentare

Arya Gholizadeh (hier mit seiner Mutter Leila Hosseini) zog vor vier Jahren aus dem Iran nach Ense.
Arya Gholizadeh (hier mit seiner Mutter Leila Hosseini) zog vor vier Jahren aus dem Iran nach Ense. © Bunte, Klaus

Arya Gholizadeh lebt seit vier Jahren in Ense und spielt Klavier. Doch Notenkenntnisse hat der 16-Jährige nicht. Er hat sich das Spielen durch Hinhören selbst beigebracht.

Bremen – „Ich habe 50 Jahre gebraucht, um ins Goldene Buch der Gemeinde Ense zu kommen, Du hast es schon mit 16 geschafft“, wendet sich Bürgermeister Rainer Busemann an den mit Abstand Jüngsten im Raum, als er ihm den dicken, ledergebundenen Wälzer und den Füllfederhalter vorlegt.

Arya Gholizadeh hat für die Teilnehmer der Feierstunde zur Vergabe der ersten Goldenen Ehrenamtskarten vier Titel am Flügel gespielt. Das Bemerkenswerte daran: Er ist ein Neuntklässler, der erst vor vier Jahren aus dem Iran nach Ense zog, in dieser kurzen Zeit bereits fast perfekt die deutsche Sprache erlernt hat, sich erst hier in Deutschland erstmals an ein Klavier setzte, sich bislang durch Video-Tutorials das meiste selber beigebracht und sich sein Repertoire ohne große Notenkenntnisse, rein nach Gehör, geschafft hat.

Hier spielt die Musik: 16-Jähriger bringt sich selbst Klavierspielen bei

Und es sind keine Stücke aus der Mundorgel, die er gespielt hat. Zwei Titel aus der berühmten Filmmusik zu „Die fabelhafte Welt der Amelie“, oder „Experience“, das vermutlich bekannteste Werk des italienischen Komponisten und Pianisten Ludovico Einaudi. Der ist 67 und hat das studiert, dass jemand wie er, die schnellen Läufe fehlerfrei spielt, erstaunt nicht. Bei einem 16-jährigen Autodidakten, der erst mit 13 angefangen hat zu spielen, dagegen schon.

Zu seinen Zuhörern an diesem Abend zählt Hans-Josef Langesberg, der stellvertretende Bürgermeister ist Organist in der St. Bernhard-Kirche und somit „ein ausgesprochener Spezi“, wie Busemann betont. Und auch der findet das, was er da geboten bekommen hat, „sehr beeindruckend, ganz großes Kino. Wie gut der wohl erst spielt, wenn er richtig Noten lesen kann?“

Ich habe 50 Jahre gebraucht, um ins Goldene Buch der Gemeinde Ense zu kommen, Du hast es schon mit 16 geschafft.

Rainer Busemann, Bürgermeister

Theorie übersprungen: „Ziel war es immer, diese Lieder spielen zu können“

Denn die Theorie hat Arya übersprungen, ist gleich in die Praxis gegangen. Auslöser war jene Filmmusik zu „Amelie“. Den eigentlichen Film habe er bis heute gar nicht gesehen, aber diese verträumten Stücke für Solopiano, die hätten in ihm den Ehrgeiz geweckt, Klavier spielen zu wollen, „mein Ziel war immer nur, diese Lieder spielen zu können“.

Bis dahin war es ein erstaunlich kurzer Weg – also, zeitlich betrachtet, nicht geografisch. Nach Deutschland und direkt nach Ense kam er durch seinen Vater, der hier studiert hatte, irgendwann zogen Frau und Sohn nach. Arya kaufte sich ein E-Piano, nutzte als einzige Anleitung von außen Video-Tutorials aus dem Internet. Seine Mutter erkannte rasch das große Potenzial ihres Sohnes.

So wandte sich Leila Hosseini an die Gemeinde mit der Frage, wie und wo man es fördern könnte. Denn die Musikschulen in Werl und Neheim waren zu jenem Zeitpunkt allesamt ausgebucht, es gab Wartelisten. Die konnte ihm helfen, vermittelte ihm einen Privatlehrer in Ense. Nun aber ist Arya in der Warteliste aufgerückt.

Nach dem Abitur Informatik studieren: Musikalische Karriere unklar

Gut möglich, dass sein Talent seinen Schulkameraden an der Sekundarschule wenig bekannt ist: „In der Schule gibt es zwar ein Klavier, das steht aber weggeschlossen im Musikraum, und seit der siebten Klasse haben wir keinen Musikunterricht mehr“, bedauert er.

Ob er eine musikalische Karriere anstreben wird, steht in den Sternen – seinen Eltern wäre nicht wohl bei dem, was man in Deutschland gerne als „brotlose Kunst“ bezeichnet. Nach der zehnten Klasse will er Abitur machen, dann eher Informatik studieren, auch dafür habe er ein echtes Händchen, lobt ihn seine Mutter.

Aber vielleicht wird er ja weder Pianist noch Informatiker – sondern Gitarrist. Denn dieses Saiteninstrument lernt er seit drei Wochen auch noch. Aber bei der Gemeinde Ense, die ihn für den kleinen Festakt verpflichtete, ist man schwer angetan von seinem Talent. Busemann: „Wenn Du Hilfe brauchst auf Deinem weiteren Weg, hier sind gute Leute in Ense, lass es uns wissen.“

Auch interessant

Kommentare