Simon Hennecke (CDU) fasste das gut zusammen. „In den Jahren 2015/16 wurde noch diskutiert, ob man Flüchtlinge aufnimmt. Heute reden wir nur darüber, wie wir das schaffen können.“
Dieses gemeinsame Ziehen am selben Strang ist auch nötig, wenn Ense die riesige Herausforderung bewältigen will, die der Krieg in der Ukraine mit sich bringt.
„Aktuell ist die Situation sehr undurchsichtig. Keiner weiß, wie sie sich entwickeln wird“, meinte der Beigeordnete Dennis Schröder. Er erläuterte, wie die Verteilung von vertriebenen Ukrainern laufe.
Bei einer Million Menschen, die nach Deutschland kommen, werden 22,5 Prozent von ihnen Nordrhein-Westfalen zugewiesen.
Von diesen wiederum kommen 0,078 Prozent nach Ense – das wären 175 Personen. „Überwiegend Frauen und Kinder“, sagte Schröder.
20 Menschen seien mittlerweile schon privat in Ense bei Bekannten oder Verwandten untergekommen. Die zählen jedoch nicht zu den Zugewiesenen.
Erst ab dem 28. März ist in Ense mit den ersten Ukrainern aus den zentralen Landes-Unterkünften zu rechnen.
Für die hat sich die Gemeinde gleich vier Unterbringungsmöglichkeiten überlegt. Zum einen ist da die private Unterkunft.
Durch einen Aufruf an Enser Privatpersonen haben sich bereits so viele Bürger bereit erklärt, Wohnraum zur Verfügung zu stellen, dass die Gemeinde 80 bis 90 Ukrainer auf diese Weise unterbringen kann. „Toll, dass so viele helfen wollen“, meint Schröder.
Für die Kosten, die Privatpersonen durch die Aufnahme entstehen, zahlt das Land übrigens eine Erstattung. Die beträgt 70 Euro für jede aufgenommene Person pro Monat.
Auch die Gemeinde erhält solch eine Pauschale, sodass die Kosten für Ense gedeckt sind.
Die zweite Möglichkeit ist das Bürogebäude der Firma Heico in Niederense. Das soll ab Mitte Mai als Unterkunft bereitstehen. Hier möchte die Gemeinde rund 100 Plätze schaffen.
Möglichkeit Nummer drei ist die Unterbringung in kommunalen Unterkünften. In Ense sind das 25 bis 30 Plätze.
„Die wollen wir allerdings erstmal zurückhalten“, erzählte Schröder. „Es kommen ja schließlich noch weiter afghanische Ortskräfte zu uns. Das hat ja jetzt nicht aufgehört.“
Die vierte und letzte Möglichkeit sind die Notunterkünfte. „Es kann passieren, dass wir auf Turnhallen und Ähnliches zurückgreifen müssen“, stellte Schröder klar.
In anderen Kommunen sei das bereits geschehen. „Wir hoffen aber, dass es dazu nicht kommen wird.“
Doch nicht nur in Sachen Wohnraum muss sich die Gemeinde wegen des Krieges aktuell enorm strecken. Auch personell arbeitet das Rathaus gerade am Limit.
„Die ganze Organisation ist sehr personalintensiv“, sagte Schröder. Täglich stünden Lagebesprechungen auf dem Plan. Dazu hat die Gemeinde den Stab für außergewöhnliche Ereignisse (SAE) aktiviert.
Der ist etwa mit dem Krisenstab des Kreises vergleichbar. „Dieser Stab tagt zweimal in der Woche“, meinte der Beigeordnete.
Um all den momentan akuten Aufgaben besser gerecht werden zu können, hat die Verwaltung sich auch ein wenig umstrukturiert.
Mitarbeiter aus den Fachbereichen 1 (Zentrale Dienste) und 3 (Bauen und Gemeindeentwicklung) sind in den Fachbereich 2 (Bürgerservice) gezogen worden.
Dieser Fachbereich ist für alles rund um die Flüchtlingswelle zuständig. „Eine solche Priorisierung ist zwingend erforderlich“, sagte Schröder.
„Dadurch bleiben bei manchen Angelegenheiten längere Bearbeitungszeiten nicht aus. Doch das lässt sich leider nicht vermeiden.“
Ganz oben auf der Aufgaben-Liste der Verwaltung steht das Thema Betreuung der Vertriebenen, vor allem von deren Kindern. Wie schwer das umzusetzen ist, machte Schröder dem Ausschuss deutlich.
„Grundsätzlich besteht für die Kinder im Kindergarten-Alter ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Doch das ist praktisch kaum umsetzbar, weil unsere Kitas überwiegend ausgelastet sind“, erklärte der Beigeordnete.
Daher wolle sich die Gemeinde erst einmal darum kümmern, dass zumindest alle ukrainischen Kinder einen Kita-Platz erhalten, die demnächst schulpflichtig werden.
„So haben sie dann die Chance, die deutsche Sprache wenigstens rudimentär zu erlernen.“
Für alle anderen Kleinkinder plane die Verwaltung sogenannte Brückenprojekte. „Die sollen auch mal rauskommen und nicht den ganzen Tag in ihrer Einrichtung hocken müssen“, sagte Schröder.
Für die älteren Kinder gilt in Deutschland jedoch ebenfalls die Schulpflicht, nachdem sie offiziell einer Kommune zugewiesen wurden. Bisher haben die Enser Schulen schon acht ukrainische Kinder aufgenommen.
Dabei stoßen die Lehrer allerdings immer wieder auf Sprachbarrieren.
Daher haben sich die Leiterinnen der drei heimischen Grundschulen zusammengesetzt und überlegt, mit welchen Hilfsmitteln sie diesen Kindern am besten gerecht werden können.
Passende Bücher, sprechende Lernstifte und Ähnliches seien dafür gut geeignet, erläuterte Yvonne Wien, Rektorin an der Fürstenbergschule.
Sie schlug vor, jede Schule mit solchen Paketen für zehn Kinder auszustatten. „Das würde pro Schule 1950 Euro kosten“, sagte sie. Dazu käme eine Lern-App für 45 Euro und je ein Echtzeit-Übersetzungsgerät für rund 300 Euro.
Nicht preiswert also, doch der Beigeordnete Schröder zögerte keinen Moment. „Wir werden die Sachen natürlich beschaffen“, versprach er. „Das ist gut investiertes Geld.“
Doch trotz der stark konzentrierten Kräfte der Gemeinde braucht es noch mehr, um die vertriebenen Ukrainer in Ense angemessen unterbringen zu können.
Das machte Simon Hennecke klar. „Uns muss bewusst sein, dass die Personen, die zu uns kommen, psychisch stark belastet sind. Wir müssen deshalb für möglichst viel Ablenkung sorgen“, meinte er.
„Deshalb müssen wir die Vereine mit einbeziehen. Schon bei der Flüchtlingswelle 2015/16 haben wir gesehen, wie gut die bei der Integration helfen können.“