TV-Nostalgie in Ense: Arne Kaiser eröffnet mit Projektteam ein Museumsstudio in der Gemeinde

„MAZ ab!“, hieß es beim Team des Projektes „Museumsstudio Ense“. Das hatte rund 80 geladene Gäste aus der Fernsehbranche aus allen Teilen der Bundesrepublik in die beschauliche Gemeinde geholt.
Wer aber hier ausschließlich an die Stars vor der Kamera denkt, liegt falsch. Der Fokus der Veranstaltung lag nämlich auf der Technik und somit waren viele von denen anwesend, ohne die eine Sendung gar nicht möglich wäre: Kameraleute, Techniker, Archivmitarbeiter und Entwickler der Fernsehtechnik von damals kamen nach Ense. Auch zahlreiche Sammlerinnen und Sammler von Fernseh- und Videotechnik sowie Interessierte waren dabei, als Arne Kaiser, Jens Hofmann und Dr. Johannes Hofmeister das Publikum im eigens eingerichteten Museumsstudio auf dem Hof begrüßten.
Kameraleute, Techniker, Archivmitarbeiter
Die Vorträge und Interviews hatte das Team aus einem improvisierten Greenbox-Studio, wo hinter den Vortragenden ähnlich wie bei Nachrichtensendungen weitere Informationen und Bildmaterial eingeblendet werden konnte, und einem kleinen Interviewstudio über eine Lautsprecheranlage und Bildschirme nach draußen übertragen. Dabei hatten Jens Hofmann und Arne Kaiser im Vorfeld fünf – zum Teil schon echt historische - Farbfernseh-Kameras (u. a. noch solche, die mit Röhren bestückt waren) in den einzelnen Räumen aufgestellt und Kilometer an Kabeln gezogen. Die Bild- und Tonleitungen sowie die Leitungen für die Verständigung mit den Personen an den Kameras und im Studio liefen bei Julian Saabel und Benedikt Surmund zusammen.
Probierstudio für Laien
Hier, in der „Senderegie“ wurden meist die richtigen Knöpfe gedrückt und die richtigen Regler auf- und zugezogen. „Uns kommt es ja nicht darauf an, ein perfektes Programm abzuliefern. Auch wenn hier ab und zu professionelle Kameraleute sich aus Spaß mit an die Kameras gestellt haben, darf man nicht vergessen, dass es darum geht, Laien den Kontakt mit der Technik zu geben. Jeder, der möchte, darf mal – um eine Anleihe bei einer Kindersendung des ZDF zu machen – ‚Kamerakind‘ spielen. Oder sich an den tausend Knöpfen des Bildmischers ausprobieren oder sonst etwas tun, das in einer professionellen Produktionsumgebung so natürlich nicht möglich wäre. Aber ich muss hier mal sagen, dass Benedikt und Julian einen unglaublich guten Job gemacht haben. Die haben zu zweit den Job eines Viererteams gemacht.“, so Arne Kaiser.

Die Veranstaltung an sich war indes der Technikgeschichte des Mediums Fernsehen gewidmet. Das Museumsteam konnte hierfür namhafte Experten auf diesem Gebiet nach Ense holen. Doch zuvor gab es noch einige Informationen zum Aufbau des Museumsstudios und Dr. Johannes Hofmeister berichtete über das zweite Projekt des Teams: „Generation Testbild“, ein Online-Format, das Zeitzeugen aufsucht, die etwas über die Geschichte von Fernsehen, Radio und Video zu berichten haben. Ein kurzer Film über die Aktivitäten, von denen man sich unter www.generation-testbild.de ein Bild machen kann, rundeten den Bericht ab.
Generation Testbild
Anschließend hielt Dipl. Ing. Albrecht Häfner (SWR) einen Vortrag über die Entwicklung des Fernsehens vor dem Zweiten Weltkrieg, also über die Kinderschuhe des Mediums. Zudem gab es unter dem Motto „Mit ein nur ein paar Zeilen fing es an“ eine Vorführung des ersten mechanischen Fernsehgerätes mit Nipkowscheibe aus den 1920er Jahren. Nach einer kurzen Pause konnte die Mannschaft vom „Museumsstudio Ense“ eine Video-Grußbotschaft von Elmar Bartel (ZDF-Sprecher der „heute“-Nachrichten von 1984 bis 2003, Autor) dem Publikum präsentieren.
Fernsehgerät von 1920
Der zweite Meilenstein in der Entwicklung des Fernsehens war – nach der Einführung der elektronischen Bildaufnahmeröhre – sicherlich die Entwicklung des Farbfernsehens in der BRD. Hierzu hielt Dipl. Ing. Norbert Lemke vom 3F-Museum Deidesheim einen kurzweiligen und mit einigen humorvollen Anekdoten gewürzten Vortrag. Im Anschluss wurde eine Video-Grußbotschaft von Holm Dressler, Regisseur für „Wetten, dass…?“, der auch heute noch als Produzent in München arbeitet, präsentiert.

Als „Mister Bluebox“ hätte man den Techniker von Radio Bremen, Dipl. Ing. Horst Bultmann, vorstellen können. Auf sein Konto geht eine wesentliche Mitarbeit an der Entwicklung der Hintergrundeffekte, die man auch heute noch aus jeder Nachrichtensendung kennt. Erfunden hat er sie für die Sendung „Beat-Club“, damit der legendäre Regisseur Michael „Mike“ Leckebusch seine zum damaligen Zeitpunkt extravaganten und avantgardistischen Regieeinfälle technisch realisieren konnte. Mit Arne Kaiser sprach er darüber, inwiefern dabei eine der ersten Farbfernsehkameras des Darmstädter Unternehmens „Fernseh-GmbH“ (KC4P40), von der sich auch ein Exemplar in Ense befindet, eine zentrale Rolle spielte. Nach einer Grußbotschaft von Horst-Christian Tadey (Kameramann, Regisseur und Autor beim ZDF, u.a. „ZDF Disco“ und „Starparade“) ging es im Programm weiter mit einem Vortrag zu den Anfängen des HDTV – dem dritten Meilenstein in der Fernsehentwicklung – von Wissenschaftsjournalist Dipl. Ing. Rainer Bücken (FKTG).
Mainzelmännchen in Farbe
Abschließend konnten sich die Anwesenden noch über das Interview „Mainzelmännchen erstmals in Color – als das ZDF auf die Farbe umschaltete“ mit dem langjährigen Chefkameramann des ZDF, Dieter Schneider, freuen. Abseits des Themas unterhielt er sich mit Arne Kaiser auch über die Showlegende Dieter „Thomas“ Heck, mit dem der ZDF-Mann der ersten Stunde – er war seit 1963 dabei – viele Sendungen gemacht hat. So auch die erste „ZDF-Hitparade“ am 18. Januar 1969. Auch die damals kontroverse Familienshow „Wünsch Dir Was“ – Schneider war bei allen vom ZDF verantworteten Sendungen aus Deutschland dabei – war Thema.
Kameramann filmte erste ZDF-Hitparade
Im Internet nachgereicht wird das bereits aufgezeichnete Interview „Bruch und die lange Leitung – Der Erfinder der PAL-Verzögerungsleitung für die ersten Farbfernseh-Empfänger erinnert sich“ mit Dipl. Ing. Wolfgang Graewert (ehem. Mitarbeiter im Entwicklungslabor der Firma Telefunken).
Besichtigungstermine
Wer Lust hat, sich das Museum einmal persönlich anzusehen, erhält alle Informationen unter www.tv-museum.de. Besichtigungstermine – in der Regel am Wochenende – können auf Anfrage vereinbart werden.