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St. Hubertus-Bruderschaft Niederense diskutiert Modernisierung

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Von: Karin Hillebrand

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Schützen Bruderschaft St. Hubertus Niederense Talk Diskussion
Standarten und Kompanien sind fester Bestandteil des Schützenwesens, sind sie auch noch zeitgemäß? © Karin Hillebrand

Der Vorstand hatte unter der Überschrift „Mit der Zeit gehen – Schützenwesen im Wandel“ geladen, rund 70 Schützen waren dem Aufruf zum offenen Gespräch gefolgt und setzten sich am Sonntagnachmittag mit der Satzung, dem Wahlrecht und den Strukturen auseinander.

Niederense – Auslöser für den „Schützen-Talk“ war eine Unstimmigkeit zwischen Wahlordnung und Satzung, die ein Abändern der Vereins-Satzung notwendig macht. Eine Neufassung steht dann am 17. Februar 2023 in der Generalversammlung zur Wahl. Eine Gelegenheit, die der Vorstand nutzte, grundsätzlich zu hinterfragen, wie zeitgemäß die Schützenbrüder sein möchten: Eine Entscheidung, die das 30-köpfige Vorstandsteam nicht alleine treffen kann und will und in die sich die rund 700 Mitglieder des Vereins von Beginn an mit hineindenken sollen.

Nach gut 100 Minuten sachlicher Diskussion ergab sich ein Stimmungsbild, auf dessen Grundlage der Vorstand die Ausarbeitung einer neuen Satzung überdenken kann. Brudermeister Andreas Kaufmann erläuterte zunächst die Diskrepanz: Der Paragraph 5 der Satzung geht auf den Erwerb der Mitgliedschaft ein und besagt für die Aufnahme von Mitgliedern, dass jede männliche Person, die sich zum christlichen Glauben bekennt, aufgenommen werden kann. Für die, die dabei keiner christlichen Glaubensgemeinschaft angehören, sich aber den christlichen Grundsätzen des Vereins verpflichten, heißt es: „Für sie gelten die Rechte und Pflichten dieser Satzung mit Ausnahme des passiven Wahlrechtes und des Rechtes auf den Königsschuss.“

Diskrepanz in Regelwerken

In der Wahlordnung liest man jedoch direkt unter dem ersten Paragraphen: „Alle Mitglieder ... haben das aktive und passive Wahlrecht.“ Beide Regelwerke wurden 2014 unterschrieben, sind so aber nicht miteinander vereinbar. Kaufmanns Vorschlag zur Abhilfe: Man streicht den oben zitierten Satz aus der Satzung: „Alles wäre damit geregelt. Jedes Mitglied hätte das aktive und passive Wahlrecht, dürfte in den Vorstand und auch den Vogel abschießen, ohne einer Kirche angehören zu müssen. Es wäre jedem die Tür geöffnet, der bereit ist, sich zu christlichen Grundsätzen zu bekennen.“

Schützen Bruderschaft St. Hubertus Niederense Talk Diskussion
Zum Schützen-Talk begrüßten der 1. Brudermeister Andreas Kaufmann (links) sowie der 2. Brudermeister Johannes Dülberg die Hubertusbrüder. © Karin Hillebrand

„Wenn wir Integration und Inklusion vorleben wollen, dann ist dieser Satz zu streichen“, sagte jemand prompt. Ob man das mit dem Pastor absprechen wolle oder müsse, ob ein Kirchenaustritt der christlichen Verpflichtung widerspräche, kamen Fragen aus der Runde. „Wenn ich austrete, bin ich immer noch Christ, in vielen Fällen sind die Machenschaften der Kirche Grund für einen Austritt“, reagierte einer der Schützen. „Wir hatten das vor 45 Jahren schon einmal. Damals hat man die Satzung geändert, damit auch evangelische Mitglieder König werden können“, erinnerte sich jemand anderes.

Insgesamt schienen die Anwesenden mit der vorgeschlagenen Änderung einverstanden, von mehreren Seiten kam die Forderung, die christlichen Grundsätze, auf die sich die Bruderschaft stützt, dann aber auch näher zu definieren. Das vorgeschlagene, traditionelle Glaube, Sitte, Heimat reicht manchem hierfür nicht: „Es klingt heutzutage doch etwas scheinheilig.“

Männlich, weiblich, divers

„Wie sieht es denn mit dem ‘männlich’ aus“, ging Kaufmann anschließend einen Schritt weiter, „wenn wir das auch streichen? Dann könnte jede Person, männlich, weiblich oder divers, Mitglied werden.“ Ob die dann voll zahlen, ob es je eine entsprechende Anfrage gegeben habe – ja natürlich und nein, sie werden uns am Anfang kaum überrollen, die Antwort.

In Sieveringen seien die Frauen über die Jungschützen dazu gekommen, regt einer an. „Wir leben im Zeitalter der Gleichberechtigung, wir können uns nicht dagegen sperren“, machte ein anderer deutlich und verwies auf den Mitgliederschwund. 100 Mitglieder habe die Bruderschaft in den vergangenen acht Jahren verloren. Für eine Zukunftsperspektive sollten Frauen eingedacht werden, es würde sich dann sukzessive entwickeln.

Schützen Bruderschaft St. Hubertus Niederense Talk Diskussion
Das Thema Modernisierung stieß auf großes Interesse. © Karin Hillebrand

Klare Worte fand ein Gegner dieser Idee: „Für den Punkt werde ich nicht stimmen. Diskussionen mit Frauen sind anders, darauf muss man sich einstellen. Bisher bin ich immer glücklich hierher gekommen.“ Er habe von einem Tambour-Verein gehört, der in seinen Leistungen stark nachgelassen habe, seitdem Frauen dabei seien. Dem widersprachen gleich mehrere Beteiligte, die auch in anderen Vereinen aktiv sind: „Seitdem wir Frauen dabei haben, geht es bei uns vorwärts.“ Und „Wir haben auch Frauen im Vorstand, das läuft sehr harmonisch.“ Und „Den Spielmannszug gäbe es ohne die Mädels heute nicht mehr.“ Und „Ob in der Politik oder in der Wirtschaft, Frauen haben zuhauf bewiesen, dass sie ihren Mann stehen.“

Beispiel Messdiener

Einer der älteren Gesprächsteilnehmer richtete Grüße seiner Tochter aus. Sie habe früher zu den Messdienern gewollt, Pastor Dohmann habe ihr damals gesagt, solange er da sei, käme kein Mädchen an den Altar. Und wo wären die Messdiener heute ohne die Mädchen, klang es vom anderen Ende des Saals.

Es kamen aber auch ganz pragmatische Hinweise: Werde der Passus nicht geändert, sitze man in zwei Jahren wieder dort. Frauen die zahlen, tragen zur Unterhaltung der Halle bei, über die Jugend könnten sie in den Verein hineinwachsen und später Vorstandsarbeit leisten und dadurch zu dessen Entlastung beitragen. „Es gibt nur eine Entscheidung hierzu, Ja oder Nein – und die muss jeder für sich in der Generalversammlung sagen“, stellte der Nächste klar.

Vereinsstruktur überdenken

„Wir haben keine Glaskugel, wissen nicht, wie es wird. Aber das Stimmungsbild ist doch ziemlich eindeutig“, kam Kaufmann zum Ende und nahm sogleich den nächsten Diskussionsstrang auf: „Wie sieht es denn mit unserer Vereinsstruktur aus? Wir haben den Vorstand, den erweiterten Vorstand, die Kompanien – ist das aktuell alles mit Leben erfüllt?“

Drei Kompanien haben die Hubertus-Schützen, jeder ist ein Teil der Jugendabteilung angeschlossen. „Man könnte einen Teil ruhend stellen. Es wäre auch möglich, eine Alters- und Ehrenabteilung, eine Jugendkompanie, eine mittleren Alters und vielleicht auch eine Frauenkompanie zu schaffen“, erklärte Kaufmann erste Überlegungen. Ruhend stellen? Vielleicht sogar die Standarten wegschmeißen? Das ging einigen dann doch zu weit, wenngleich aus einer Ecke die provokante Frage kam: „Braucht man Kompanien überhaupt noch?“ – Die seien eigentlich das Bindeglied zum Vorstand, die Antwort.

Jugendarbeit stärken

„Was war denn bei den Veranstaltungen der Kompanien los? Es war kaum jemand da, der Vorstand mit seinen Frauen.“ Und der sei überlastet, laufe teilweise auch bei den Standarten mit. Der Zulauf in den Kompanien sei nicht groß. Die Jungschützen würden automatisch zum Standarten-Tragen verdonnert, weil man keine Träger mehr finde. Dabei seien eigentlich für Züge auswärts drei und im Ort neun davon vorgesehen. In diesem Jahr nach Corona habe auch niemand an der Straße gestanden, um den Zug zu gucken. Die Frage, wie man dem Verein wieder Leben einhaucht, stand im Raum. Die Jugendarbeit in den Vordergrund rücken, ihnen erklären, was das Schützenwesen ist, sagte einer. Fragen, was ein jeder braucht, was interessiert, sagte der nächste. Er selbst sei junger Vater, was für Familien wichtig sei, könne er darlegen, aber in den ganz Jungen und den Alten stecke er nicht drin. Weniger Termine, damit es in den Familien nicht knirscht, die aber mit mehr Qualität, ergänzte der dritte.

Beratung von außen

Bei der Jugenddisco seien 170 Gäste gewesen, früher lag die Zahl bei 500. Früher habe man auch kein Problem gehabt, die Wimpelchen aufzuhängen, „in diesem Jahr war es ein Wunder, dass wir es überhaupt geschafft haben.“ „Vielleicht muss man häufiger so interessante Termine ansetzen wie heute. Und das Schützenwesen in seiner Ganzheit betrachten“, stellte jemand angesichts des gut gefüllten Saales fest. „Wir könnten Geld in die Hand nehmen und uns Hilfe von außen holen, beispielsweise vom Sauerländer Schützenbund.“ „Wir sollten uns mit einem Plan B befassen, falls wir es nicht hinbekommen, das Interesse zu wecken.“

Sachlich gewonnenes Stimmungsbild

Einer erinnerte an die Aktion, Ehrenkarten an Neubürger zu verteilen, ein anderer antwortete: „Wir müssen alles überdenken. Mit unseren Uniformen wirken wir auf Neubürger vielleicht wie ein geschlossener Kreis.“
Bei allem Diskutierten brachten die Anwesenden Beispiele aus den Nachbarvereinen ein. Bei einigen hat es schon Umbrüche gegeben, andere setzen sich mit ähnlichen Themen auseinander. „Wir brauchen Traditionen, aber wir müssen erst mal darüber nachdenken, was jeder sich unter dem Schützenwesen vorstellt. Wir müssen unsere Hausaufgaben machen. Aber nicht nur wir, es trifft andere Vereine im Dorf genauso“, hieß es. „Es gibt ein Gemeinschaftsproblem in Niederense.“ Kaufmann verwies zum Schluss auf das Vereinsjubiläum in zwei Jahren und dankte für die sachliche Beteiligung und die Ideen: „Es liegt nun an uns, zu entscheiden, was zur Abstimmung kommt.“

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