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Waltringen: Renommierter Künstler Harald Becker verstorben

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Von: Klaus Bunte

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Waltringen Rennomierter Künstler Professor Harald Becker 82-jährig verstorben
Harald Becker an seinem 80. Geburtstag mit Mitgliedern des Heimatvereins. © Bunte, Klaus

Am Sonntag, 22. Juli, verstarb der überregional renommierte Künstler Professor Harald Becker. Er war neun Tage zuvor 82 Jahre alt geworden.

Waltringen – Es gibt eine schöne Anekdote über Prof. Harald Becker. Einst sollte er mal Bundespräsident Walter Scheel für eine Fernsehsendung anhand von Fotos porträtieren. Das Original habe später moniert, „ich bin ein Politprofi und kein alter Opa in einem Ohrensessel“, doch Becker nahm sich das nicht weiter zu Herzen, „ich mochte ihn eh nicht, er war mir zu arrogant.“ Das Gemälde landete somit nicht in der Villa Hammerschmidt über Scheels Kamin, sondern im Heim eines der zuständigen Fernsehredakteure. Harald Beckers Heim und Arbeitsplatz dagegen war die alte Schule in Waltringen.

82 Jahre geworden

1940 in Lingen geboren, aufgewachsen in Göttingen (Abitur 1960), studierte Harald Becker zunächst von 1961 bis 1966 an der Hochschule für bildende Künste in Berlin und arbeitete im Anschluss bis 1972 tatsächlich als Kunsterzieher an zwei Gymnasien. Nicht in Waltringen, sondern in Bremen. Nicht Bremen in Ense, sondern die Hauptstadt des gleichnamigen Bundeslandes. Dann erhielt er eine Professur im Fachbereich Design der Fachhochschule Dortmund – statt Kindern, die eher gezwungen zum Pinsel griffen, unterrichtete er nun junge Menschen, die aus eigenem Antrieb zu ihm kamen, die allesamt wirklich von ihm lernen wollten. Im Laufe der Jahrzehnte wurde er mit zahlreichen renommierten Kunstpreisen und Stipendien versehen. Jahrelang leitete er auch Kurse im Rahmen der Sommerakademie des Kunstvereins Kreis Soest.

Professur in Dortmund

Gemalt hatte er, so lange es noch ging, die alte Schule platzte förmlich aus allen Nähten von seinen Kunstwerken. Die Menge erklärt sich nicht durch die hohe Zahl an Jahren, die Becker vor seiner Staffelei verbracht hat. Vielmehr liegen hier nicht nur seine Werke im Dornröschenschlaf, sondern auch die seiner Frau Ingrid. Ihren Tod vor 18 Jahren hatte er nie völlig verkraftet, erst recht nicht den eines seiner beiden Söhne, der mit 17 Jahren verunglückte. Schicksalsschläge, die sich selbst mit Mitteln der Kunst nicht verarbeiten lassen.

Alte Schule Waltringen

Der Blick auf die Gemälde in Harald Beckers Haus zeigt seine beiden vorrangigen Themen. Da sind absurde Gerätschaften und Automobile, die so eigentlich gar nicht funktionieren können. Und da sind die fiktiven Porträts und Familienbilder von Menschen, wie sie vor hundert Jahren vor den Kameras posierten. Dennoch zog er sich in den Siebzigern, als viele dieser Werke entstanden, den Zorn der Reichen zu, die sich bloßgestellt fühlten. Dabei erinnern gerade die rundlichen und kahlen Herren in ihren Nadelstreifenanzügen eher an Schauspieler Wolfgang Peters in der Titelrolle der Verfilmung von Heinrich Manns Kaiserreich-Roman „Der Untertan“, also Zeitgenossen längst vergangener Tage.

Nadelstreifen und Automobile

Deren unnatürliche Posen hatten es Becker vor 40 Jahren angetan. Sie führten zu einigem Ruhm: Einst durfte Becker sie im Rahmen einer Einzelausstellung in der Villa Hammerschmidt in Bonn, dem damaligen Erstwohnsitz des jeweils amtierenden Bundespräsidenten, seinerzeit Gustav Heinemann, ausstellen: „Und dann sahen die hohen Gäste der Eröffnung so aus wie die Leute auf meinen Bildern“, amüsierte sich Becker damals.

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