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Linienbus als Wohnmobil: Neun Männer im rollenden Hotel

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Von: Klaus Bunte

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Nutzen ihren Bus nicht nur zu Spritztouren und zum Feiern, sondern waren damit auch im Katastrophengebiet im Ahrtal am Start (von links): Lennard Busemann, Lucas Benedict Lehmann, Theodor Suermann, Justus Kaup, Paul Spitthoff, Leon Struwe-Grae, Johannes Tillmann und Justus Tillmann.
Nutzen ihren Bus nicht nur zu Spritztouren und zum Feiern, sondern waren damit auch im Katastrophengebiet im Ahrtal am Start (von links): Lennard Busemann, Lucas Benedict Lehmann, Theodor Suermann, Justus Kaup, Paul Spitthoff, Leon Struwe-Grae, Johannes Tillmann und Justus Tillmann. © Privat

Eine Gruppe Enser verwandelt einen alten Linienbus in ein Wohnmobil.

Oberense – Was muss man tun, damit man mit einem Linienbus, der für über 50 Fahrgäste zugelassen ist, nur noch mit acht Mitfahrern plus Fahrer auf die Straße darf? Ganz einfach: Man baut ihn um in eine Art Wohnmobil und meldet ihn entsprechend an. Mag das Ding auch zwölf Meter lang sein und an die 20 Mann dort Platz zum Schlafen finden, die deutsche Straßenverkehrsordnung kennt da kein Pardon.

Dank seiner äußeren Hülle, aber auch einigen Details im Innenraum, kann der umgebaute Linienbus seine Vergangenheit nicht verleugnen.
Dank seiner äußeren Hülle, aber auch einigen Details im Innenraum, kann der umgebaute Linienbus seine Vergangenheit nicht verleugnen. © Privat

Vor zwei Jahren kaufte sich eine Gruppe junger Männer vom offenen Stammtisch im Bauwagen auf dem Hof Tillmann in Oberense für 5000 Euro einen alten Linienbus. Ihn so aufzumöbeln, dass sie damit durch den TÜV kamen, kostete weitere 9000 Euro. Bis heute stiegen die Kosten auf insgesamt 25.000 Euro an. „Das ist in der Summe vielleicht etwas viel geworden, aber dafür haben wir etwas Einzigartiges. Das hat im Umkreis niemand, jeder findet es cool, jeder hätte es gerne. Wir haben es möglich gemacht, obwohl ganz viele gesagt haben, dass es nicht möglich sei – was zu widerlegen uns natürlich der größte Ansporn war“, blickt Paul Spitthoff zurück.

Den Bus importierten sie aus dem Schwäbischen. Und woran man dort nicht spare, sei das Salz, das im Winter gestreut wird, was den Ensern nun bei Reparaturen zu Buche schlug: Salz mag zwar auf die Straße gehören, jedoch nicht in die Karosserie und auf den Unterboden. Moderne Autos sind da etwas resistenter – aber der Bus ist ja älter als die meisten seiner Insassen.

Linienbus als Wohnmobil: Zu groß fürs Festivalgelände

Mit dem Bus schaukeln sie zu Feiern und Festivals, sorgen dort mitunter für staunende Blicke. Wenn man sie denn auf Festivalgelände lässt. „Denn statt eines zwölf Meter langen Busses könnte man auf demselben Raum auch zig Zelte unterbringen“, meint Spitthoff. Bei „Parookaville“, einem Festival für elektronische Musik am Niederrhein, habe man den Bus abgewiesen. Und solange keine Pandemie dazwischenkommt, aufgrund derer in 2020, nachdem der Bus durch den Tüv war, nur kleinere Fahrten durch das Sauerland möglich waren.

Bei einem Festival waren die Jungs auf die Idee aufmerksam geworden, landeten auf dem Campinggelände direkt neben einem solchen Bus, der dann später quasi als Blaupause dienen sollte. Diese Begegnung war schon ein großer Zufall, „denn so viele umgebaute Busse gibt es nicht“, weiß Paul Spitthoff heute. „Aber darüber ist eine gute Freundschaft zu den Besitzern jenes Busses entstanden, und mit denen fahren wir im nächsten Jahr auch wieder zu diesem Festival. Dann können wir schön miteinander vergleichen, wer wo was besser gelöst hat und was man sich auch jetzt noch beim anderen abgucken kann“.

Der Bus sei bei solchen Einsätzen eine große Hilfe: Jeder hat seine eigene Koje, es gibt eine Toilette und eine fest verbaute Küchenzeile, und dank der Standheizung hat man es auch bei Regen und Kälte schön warm.

Als Fahrer braucht man einen Lkw-Führerschein. Anfangs hatten nur zwei aus der Gruppe eine solche Lizenz – sprich, die beiden mussten immer nüchtern bleiben. Mittlerweile haben aber fast alle einen – die meisten davon dank ihres Engagements bei der Freiwilligen Feuerwehr.

Da, wie gesagt, wie in einem Bulli neben dem Fahrer nur weitere acht Fahrgäste mitreisen dürfen, gibt es zwei Ausweichmodelle, sollten mal mehr bei einem Trip mitfahren wollen – schließlich sind die Partnerinnen der Herren von den Touren ja nicht ausgeschlossen. Überhaupt versteht sich die Truppe nicht als geschlossene Gesellschaft: „Es ist wirklich jeder willkommen, die Idee zum Bus entstand schließlich aus dem offenen Stammtisch im Bauwagen heraus.“ Eher lassen sie den Bus stehen als einen oder zwei Mitreisende. Oder, wenn es gleich deutlich mehr sind, dann fahren einige andere eben im Auto hinterher. Sobald der Bus steht, dürfen sich ja wieder mehr darin aufhalten und vor allem ausruhen. Um mehr Personen mitfahren zu lassen, müssten sie wieder mehr Sitzbänke samt Gurt einbauen – und dann bräuchte der Fahrer wiederum einen Busführerschein, „den für den Lkw, den haben wir ja, aber den auch noch zu machen, nur aus Jux und Dollerei, das wäre zu teuer gewesen. Und dann müsste der Bus viel öfter zur technischen Untersuchung.“

Linienbus als Wohnmobil: Eine Woche lang im Ahrtal angepackt

Der Rekord an gleichzeitig im Bus Schlafenden dürften 17 Personen gewesen sein. Und die brauchten diese Ruhe auch. Nicht wegen des vielen Feierns, sondern ausschließlich nach langer, harter Arbeit in Schlamm und Schmutz. Denn mit dem Bus ist die Truppe im vergangenen Sommer auch ins Ahrtal gefahren. Dort standen der Bus und mehrere Trecker aus der Gemeinde, während die Enser in wechselnden Besetzungen – einige fuhren im Auto hin und her – ehrenamtlich im Hochwassergebiet mit anpackten. Der Bus war nicht nur Schlafgelegenheit, sondern auch „Kommandozentrale“, Strom und Duschgelegenheiten stellte ihnen die Bundeswehr.

Was als Tour noch aussteht, ist ein Stadionbesuch. Da sich in der Truppe aber sowohl Dortmund- als auch Schalke-Fans befinden, wird es wohl eher zu Spielen von Vereinen gehen, denen sich keiner von ihnen in diesem Maße verpflichtet fühlt – Paderborn vielleicht.

Was dem Trupp schon fast einen Strich durch die Rechnung macht, ist, dass genau dann, wenn das Wetter am geeignetsten ist, alle am wenigsten Zeit haben – schließlich sind auch alle Mitglieder in den heimischen Schützenvereinen aktiv. „Im vergangenen Jahr hätte jeder von uns sechs oder sieben Veranstaltungen absagen müssen, sodass der Bus viel stand. Nach zwei Jahren Corona war der Kalender ja extrem voll.“ In diesem Jahr soll sich das aber ändern, meint Spitthoff: „Am schönsten sind immer noch spontane Touren, wenn wir einfach drauflosfahren und bei jedem Stopp alle Leute sich den Bus ansehen wollen. Aber wir würden auch gerne mal in die schwäbische Alb fahren und den Mann besuchen, der uns den Bus verkauft hat, und ihm zeigen: Schau mal, was wir aus Deinem rostigen Etwas gezaubert haben. “

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