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Winzige Modelle kommen ganz groß raus

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Von: Klaus Bunte

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Bildschirm mit Motiv
Auf den Stufen der Conrad-von-Ense-Schule entsteht die nächste Makrofotografie. © Bunte, Klaus

„Es ist wie eine Sucht”, meint Katrin Oberschelp. Die Pädagogin bunkert die Objekte ihrer Begierde förmlich, „ich habe mit 50 angefangen und dürfte jetzt bei über 500 sein“. Es sind winzige Figürchen und sie sind sehr steif. Denn sie sind aus Plastik. Es sind jene Figuren, mit denen Modelleisenbahner ihre Landschaften bevölkern. Sie werden im Maßstab 1:87 hergestellt, sprich, ein Mann von 180 Zentimeter Körpergröße entspricht hier einem Figürchen von 2,07 Zentimetern.

Bremen – Mit diesen Miniaturen kann man aber auch wunderbar kreative Fotos machen – ein Trend, der vor einigen Jahren aus Japan herüberschwappte. Dann werden die Miniaturen mit zweckentfremdeten Alltagsgegenständen oder Lebensmitteln gepaart, so etwa, wenn eine Figur ein Bad nimmt, der Schaum aber aus Blumenkohl besteht, ein Brokkoli einen Baum darstellt oder ein Rad mit Perlkopfnadeln zum Riesenrad wird. So wirken winzige Dinge auf einmal riesig groß – daher der Begriff Makrofotografie.

Dabei habe sie selber vielleicht gerade einmal drei solcher Fotos gemacht, erzählt die Lehrerin von der Conrad-von-Ense-Schule, „die Schüler sind da viel kreativer, haben noch keine Schere im Kopf. Als Erwachsener dagegen geht man verbissener dran und ist enttäuscht, wenn man die Vorstellung, die man im Kopf hat, doch nicht so ganz umsetzen kann. Die Jungs und Mädels dagegen sind da wie ein Bienenschwarm, rein in den Unterrichtsraum und wieder raus, mit leuchtenden Augen. Ich bin nur die Ideengeberin und erfreue mich lieber an ihren Fotos.“ Für das laufende Jahr hatte die Einrichtung bereits einen Kalender mit solchen Motiven drucken lassen.

Nun nimmt die Sache jedoch einen ganz anderen Maßstab als diese 1:87 an. Denn jetzt sollen die Schüler mit dieser Technik für das systemische Unterrichtskonzept SOL werben – die Abkürzung steht für „selbst organisiertes Lernen“. Und so steht an einem Vormittag Frank Trendelkamp, Berater für pädagogische Architektur am in Soest beheimateten Landesinstitut für Schule und Weiterbildung, vor den 14 Siebtklässlern, Teilnehmern des Wahlpflichtfaches Natur und Technik. Er erzählt ihnen eine Stunde lang einiges über ein Konzept, das schon an einigen speziell dazu eingerichteten Schulen umgesetzt wurde, in denen gleich zwei ganze Jahrgänge 75-köpfige Klassen bilden, selbstverantwortlich an eigenen „Büroplätzen” oder auf Sofas chillend lernen, von den Lehrern nur begleitend und individuell unterstützt werden.

So wie sich die Anforderungen an Arbeitsplätze im Laufe der Jahrzehnte geändert haben, sei auch im schulischen Bereich ein Umdenken erforderlich, meint Trendelkamp. Er zeigt ihnen anhand von Fotos, wie es in diesen Schulen aussieht – und auch, wenn es in der Conrad-von-Ense-Schule so natürlich zumindest noch nicht aussieht, so sollen die Kinder jetzt einmal ausschwärmen und mit ihrem Tablet und den Miniaturen passende Fotos machen, die Trendelkamp für seine Vorträge und Präsentationen, aber auch für die Homepage des Schulministeriums verwenden will. „Denn sicher, die Bildrechte an den Fotos, die ich heute den Schülern gezeigt habe, die haben wir natürlich, das ist auch mit den einzelnen Schulleitern abgesprochen, aber wir wollen halt auch noch etwas, das die Fantasie anregt. Wir haben hin und her überlegt“, und zum Glück kannte er Katrin Oberschelp. Als sie ihm die Fotos gezeigt habe, habe er spontan gesagt: „Boah, das isses!“

Und die Schule war natürlich alles andere als abgeneigt, „Ihr dürft dafür auch die Möbel umrücken”, so die ausdrückliche Erlaubnis von Schulleiterin Carola Pichmann. Ihr Angebot, die professionelle Beleuchtung der Schule zu nutzen, wird jedoch abgelehnt: „Das machen die Schüler über die Einstellungen der Foto-App.“

Und für Trendelkamp ist das „quasi eine Premiere“, er musste eigens hierzu noch einmal eine schülergerechte Präsentation zum SOL-Konzept erarbeiten. „Denn es gibt natürlich ganz hervorragende Filme über die Architektur und die Konzeption solcher Schulen, und die Redner erklären das auch gut, aber beim Reden können sie denen mitunter die Schuhe besohlen.“

Ein Vorwurf, den man den Schülern nicht machen kann. Sie setzen die Miniaturen direkt auf dem Schulgelände in Szene. Und können ihre Werke dann hoffentlich bald schon auf der Homepage des Schulministeriums sehen.

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