Ohne Corona stünde er jetzt vermutlich nicht hier. Obwohl Samstag ist, würde er jetzt vermutlich dennoch arbeiten. Dann würde er proben oder wäre auf dem Weg zu einem Auftritt. Denn er verdiente sein Geld als professioneller Hochzeits-, Gala- und Partymusiker. Doch kaum eine Berufssparte wurde härter von der Pandemie getroffen als die der Musiker und der darstellenden Künstler. Wie früh er schon die Reißleine zog, merkt man, wenn er sagt: „Berufsfotograf bin ich erst seit drei Jahren.“
Direkt zu Beginn der Pandemie begann er schon, sein Hobby zum Beruf zu machen und sich ein Fotostudio einzurichten. „Und die Kameras heutzutage sind ja so weit entwickelt, dass man ganz wunderbar damit auch hochwertige Videos drehen kann.“ Also nahm er auch Imagefilme in sein Portfolio auf. „Und sicher trauere ich der Musik nach. Aber das, was ich jetzt mache, verfolge ich mit der gleichen Begeisterung.“ Dazu zog er vor ein paar Jahren von Bergkamen nach Niederense, „denn ich liebe das Ländliche“.
Mit 63 hat Paetzold ein Alter erreicht, in dem die meisten schon die Tage bis zum Ruhestand zählen. Er dagegen baut mit den Kita-Filmen etwas komplett Neues auf: „Ich werde wohl nie untätig sein können. Und so haben wir geschaut, wie wir uns in diesem Feld positionieren können“, beschreibt er die initiale Geschäftsidee.
Dass an diesem Tag die Kinder und Mitarbeiter des Höinger St.-Josef-Kindergartens sowie Vertreter des Trägers seine Protagonisten sind, hat mehrere Gründe. Einer ist: Es ist Paetzolds erster Imagefilm für eine Kindertageseinrichtung, und es ist eine Art Testballon. Ein Geschenk an die Einrichtung, der Spaß kostet den Träger, die Katholische Kindertageseinrichtungen Hellweg gem. GmbH, nicht einen einzigen Cent. Und warum gerade diese?
Ganz einfach, die Leiterin heißt seit zwei Jahren Anja Paetzold – sie ist seine Ehefrau, wird bei diesen Filmen den Posten der pädagogischen Fachkraft übernehmen. Nach der Fertigstellung des Erstlingswerks könne man absehen, was er späteren Auftraggebern in Rechnung stellen kann.
Nun mag man sich fragen, warum eine Kita mit einem kleinen Werbefilm auf sich aufmerksam machen soll. Es ist hinlänglich bekannt, dass in Ense, wie in vielen anderen Kommunen, die Nachfrage nach Kitaplätzen das Angebot überschreitet und die Gemeinde zwei Einrichtungen erweitern muss, um den gesetzlich zugesicherten Anspruch auf Kita-Plätze nachzukommen.
Aber darum gehe es Paetzold gar nicht, sondern eher um eine kurze und knappe Darstellung der eigenen Schwerpunkte. Im Fall der Josefs-Kita sind dies Inklusion, Bewegung, Sprache und ökologische Bildung. All das soll in einem kurzen Clip so verpackt sein, dass der Zuschauer alle Infos ebenso anschaulich wie ansehnlich kredenzt bekommt.
Nicht länger als zwei Minuten solle der Film dauern, das sei den Sehgewohnheiten in den Zeiten des Internets und der sozialen Medien geschuldet: „Der User fällt in Millisekunden die Entscheidung, ob er sich ein Video anschauen will, und dann noch einmal ein paar Sekunden, in denen er entscheidet, ob er es sich auch zu Ende ansieht.“ Gut, dieses Video schaut sich wohl kaum jemand an, der von an seine Neigungen anpassten Algorithmen durch Katzenvideos oder Schminktipps geleitet wird. Aber: Die Aufmerksamkeitsdauer geht allgemein zurück.
Zum anderen wendet sich die Kita damit auch an mögliche Arbeitssuchende. Und hier ist der Wettbewerb denkbar groß. Denn aktuelle Studien zeichnen ein düsteres Bild hinsichtlich des Personalmangels: Gut 9000 angehende Erzieher gibt es aktuell in NRW. Um den Rechtsanspruch für alle Kinder erfüllen zu können, bräuchte es laut Bertelsmann-Stiftung in diesem Jahr in NRW aber 25000 neue Fachkräfte.
Paetzold meint: „Nach meinem Wissen gibt es bislang keine Kita, die einen professionellen Imagefilm hat.“ Damit der Film wirklich so professionell wird, arbeite er in Sachen Ton, Licht, Schnitt und Regie mit einem Netzwerk von Profis aus der Film- und Fernsehbranche zusammen. Er selber ist der Produzent, erstellt aber zusätzlich zum eigentlichen Clip noch ein „Making of“, das sich zu seinen Foto-Video-Tutorials in seinem Youtube-Kanal gesellen wird.
Ziel sei es, alle Kitas in der Umgebung auszustatten, wozu er den Spagat schaffen muss zwischen einem Budget, das so schlank wie möglich gehalten werden soll, und der Qualität. Das Produkt seiner Arbeit ist auch nicht für TikTok gedacht, nicht einmal für Youtube. Das fertige Produkt hat er bereits am 1. Mai auf seiner eigenen Homepage veröffentlicht, in den kommenden Tagen wird es auch auf der Seite der Kita bereitgestellt werden.