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Kein Kita-Platz, kein Studium – junge Mutter bangt um berufliche Zukunft 

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Von: Klaus Bunte

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Mädchen und Mutter Kopf an Kopf
May Al-Badrawi sucht händeringend für ihre beiden Kinder Kita-Plätze – und wird dadurch aus ihrem Studium gerissen.  © Al-Badrawi

Beruf, Ausbildung und Familie miteinander vereinbaren - ein von der Politik vielfach formuliertes Ziel. Für eine junge Enserin sieht die Realität anders aus. Sie blickt einer Zukunft unter dem Motto, „Kein Kita-Platz, kein Studium“ entgegen.

Höingen – „Du bist auf der Suche nach einem Großraumbüro mit Klasse? Das gibt es neben den Förderschulen auch in den fünf Schulformen der Sekundarstufe I: der Hauptschule, der Realschule, dem Gymnasium, der Gesamtschule und der Sekundarschule.“ Mit solch blumigen Worten versucht das NRW-Schulministerium auf seinem Portal www.lehrer-werden.nrw, den Beruf des Lehrers schmackhaft zu machen.

Der Weg dorthin kann jedoch einen faden Beigeschmack bewirken, denn Lehrer unterrichten nicht nur Kinder, sondern setzen meist auch selber welche in die Welt. Beides ist derzeit schwer zu vereinen.

Denn während nach Angaben des Schulministeriums NRW im Oktober dieses Schuljahres rund 8000 Planstellen nicht besetzt waren und die Kultusministerkonferenz erst im April prognostizierte, dass bundesweit bis 2035 mindestens 23 800 Lehrkräfte fehlen werden, fehlen im kommenden Jahr in Deutschland rund 384 000 Kita-Plätze, wobei allein NRW als bevölkerungsreichstes Bundesland ein Minus von 101 600 Plätzen aufweist.

Insofern verwundert es nicht, wenn die berufliche Lebens- und die Familienplanung sich schwer vereinbaren lassen. Davon weiß eine junge Frau aus Höingen ein Lied zu singen – ein Klagelied.

Bachelor in Rekordzeit, Master zieht sich hin

May Al-Badrawi ist 28, ist erst im November mit ihren Kindern und ihrem voll berufstätigen Mann von Arnsberg nach Höingen gezogen, war gerade zum zweiten Mal Mutter geworden. In Paderborn studiert sie Deutsch und Philosophie auf Lehramt. Derzeit jedoch fast nur noch auf dem Papier. Denn während sie ihren Bachelor noch nach dem vierten Semester meisterte, während die Regelstudienzeit sechs Semester beträgt, wird ihr dies mit dem Master, für den vier Semester vorgesehen nicht mehr gelingen: „Hier bin jetzt im dritten Semester, bin auch immer weiter an der Uni gemeldet und zahle auch weiter die Gebühren, weil ich immer hoffe, dass ich noch zur Uni kann, muss dann aber immer ganz viel abbrechen oder abwählen. Doch auf dem Zeugnis wird es hinterher vermerkt werden, wenn man sein Studium nicht in der Regelzeit geschafft hat.“

Ihr älteres Kind ist jetzt fünf. Nach wie vor muss sie ihre Tochter jeden Tag nach Arnsberg-Moosfelde in die Kita bringen, gut zehn Minuten Fahrtzeit mit dem Auto. „Schon 2019 hatte ich für meine Tochter dort erst nur Absagen bekommen. Ich wurde überall auf Wartelisten gesetzt. Damals habe ich nebenher noch in einem Bekleidungsgeschäft etwas dazuverdient, und als ich damit wieder starten musste, musste ich bei der Stadt Arnsberg wirklich Theater machen. Die meinte, sie würde bald eine neue Kita eröffnen, dort würde ich vermutlich einen Platz bekommen, das sei aber noch nicht sicher.“

Irgendwann kam jedoch der Anruf mit der ersehnten Zusage: „Das war ein Riesen-Glück. Denn hätte die neue Einrichtung nicht eröffnet, hätte ich ohne einen Platz dagestanden.“ Allerdings waren die Wohnung und die neue Kita zwei bis drei Kilometer voneinander entfernt, doch bei den näheren war selbst ein Jahr später kein Platz frei. „Da habe ich sie von der Warteliste nehmen lassen, schließlich hatte sie an der Kita schon Freunde gefunden.“

Keine Aussichten auf Plätze in Höingen

Im November dann der Umzug ins benachbarte Höingen und mit ihm die Hoffnung auf Kita-Plätze in der Umgebung. Aber auch hier das gleiche Problem, „dabei ist die eine Kita direkt hinter unserem Haus und die andere nur 900 Meter entfernt“, meint sie. „Ich habe direkt Absagen bekommen. Mir wurde gesagt, dass meine Tochter keine Chance hat, an eine der beiden Höinger Kitas zu wechseln.“

Oft habe sie zu hören bekommen, man solle sich für sein Kind schon um einen Kita-Platz bemühen, sobald der Schwangerschaftstest positiv ausfällt: „Aber dem ist nicht so, das geht erst nach der Entbindung.“ Der neue Erdenbürger muss halt bei den Behörden gemeldet sein. Also hofft sie, im kommenden Jahr einen U3-Betreuungsplatz für ihren Sohn zu finden, „denn ich muss ja auch weiterstudieren. Aber die Kita-Leitung sagte, dass sie mir auch für 2023 keine Aussichten machen und den Kleinen nur auf die Warteliste setzen kann. Falls jemand umzieht.“

Aktuell komme natürlich noch ein ganz anderes Problem hinzu: Die Erkältungswelle: „Seit vier Wochen bringe ich meine Tochter nicht mehr in die Kita, denn sobald sie dort ist, ist sie am folgenden Tag krank. Alle Eltern schicken ihre Kinder krank in die Kita, statt sie daheim zu lassen, bis sie wieder gesund sind. Deshalb konnte ich jetzt wieder an zwei Blockveranstaltungen nicht teilnehmen und musste sie auf das kommende Semester verschieben. Ebenso mein Praxissemester, das ich eigentlich im letzten Semester hätte beginnen müssen.“

U3-Platz nötig wegen Praxissemester

Und hier wartet bereits der nächste Fallstrick: Da May Al-Badrawi in Paderborn studiert, darf sie dieses Praxissemester nur an Schulen innerhalb des Regierungsbezirks Detmold absolvieren. „Ich habe alles Mögliche versucht, um es im Regierungsbezirk Arnsberg zu machen. Aber das darf ich nicht, trotz meiner Kinder. Deshalb habe ich es auf September 2023 verschoben – aber dann müsste ich wirklich ab September einen U3-Platz haben für meinen Sohn.“

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