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Enser Türken laden zum ersten interreligiösen Fastenbrechen ein

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Von: Klaus Bunte

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Einige türkische Familien hatten gemeinsam zum ersten interreligiösen Fastenbrechen eingeladen. Als Gastredner war der Kulturwissenschaftler Dr. Resul Karaca (Fünfter von rechts), Vorsitzender des Paderborner „Vereins für Wissenschaft und Kultur“, angereist.
Einige türkische Familien hatten gemeinsam zum ersten interreligiösen Fastenbrechen eingeladen. Als Gastredner war der Kulturwissenschaftler Dr. Resul Karaca (Fünfter von rechts), Vorsitzender des Paderborner „Vereins für Wissenschaft und Kultur“, angereist. © Bunte

Sicher, man hätte kurz vorher im Auto, auf dem Parkplatz, rasch noch einmal einen Schluck trinken können. Aber das wäre unfair den Gastgebern gegenüber. Für 19.30 Uhr haben sie ins Haus Porta Coeli geladen, zu Enses erstem interreligiösen Fastenbrechen.

Niederense – Dort stehen zwar bereits die großen Flaschen Mineralwasser und Orangensaft auf den Tischen. Doch niemand begeht den Fauxpas, sich fröhlich ein Glas einzuschenken. Denn Sonnenuntergang ist erst eine Stunde später, und bis dahin dürfen die Gastgeber nichts trinken. Und wem jetzt schon die Zunge am trockenen Gaumen klebt, der bekommt eine winzige Kostprobe dessen, was Muslime während ihres Fastenmonats Ramadan freiwillig auf sich nehmen.

Zu dieser Jahreszeit geht es ja noch. Aber da sich der islamische Kalender nach den Mondphasen richtet, wandern die Daten des islamischen Jahres aus der Perspektive des Sonnenkalenders durch das Jahr, sodass der Ramadan jedes Jahr etwa zehn bis zwölf Tage früher beginnt als im Vorjahr. Im Hochsommer, wenn die Tage lang und heiß sind, muss dies eine Qual sein.

Aber das sei reine Kopfsache und bedürfe einer mentalen Vorbereitung. Das körperliche wie geistige Fasten diene einer Reinigung der Seele, einer Selbstreflexion und Selbstläuterung über das eigene Verhältnis zu Gott, führt Dr. Resul Karaca aus. Der promovierte Kulturwissenschaftler ist eigens aus Paderborn zu der Veranstaltung gekommen. Er ist der erste Vorsitzende des „Vereins für Wissenschaft und Kultur“, der regelmäßig solche Feste organisiert.

Denn während es in anderen Orten ringsum schon öfter solche Einladungen an die nicht-islamischen Mitbürger gab, waren es dort eben Kulturvereine oder Moscheen, die dazu einluden.

In Ense gibt es nichts Vergleichbares, und so sind es einige türkische Familien, die diesem Verein angehören, die auf diese Weise den Kontakt zu ihren Mitmenschen suchen, um sich für die Aufnahme in ihrer Mitte zu bedanken. Kurz gefasst: Sie übernehmen das Kochen, Karaca das Reden.

Die Gastgeber hatten beim Büfett weder Kosten noch Mühen gescheut.
Die Gastgeber hatten beim Büfett weder Kosten noch Mühen gescheut. © Bunte, Klaus

In einem viertelstündigen Kurzvortrag fasst er Sinn und Zweck des Ramadan zusammen, bevor er das reichhaltige Büfett aus Geflügelpfanne, Reis, Gemüse, Salat, Linsensuppe und Nachtisch eröffnet. Zwar sei es Tradition, das abendliche Fastenbrechen in der Gemeinschaft zu begehen, „um die Freude mit den Mitmenschen zu teilen“, aber dass an diesem Abend so viel aufgefahren wird, „sich so zu präsentieren, das liegt eher in der Natur der Gastfreundlichkeit. Es ist auch nicht Sinn der Sache, die letzten 16 Stunden, in denen wir nicht essen und trinken durften, wieder wettzumachen. Es wäre aber auch nicht so nett, Ihnen heute Abend nur eine Suppe anzubieten.“

Die gesamte Gemeinde einzuladen würde natürlich jedes Maß sprengen. Eingeladen sind daher Vertreter aus Rat und Politik, Kirche, Schul- und Vereinswesen, und dies nicht nur unabhängig ihrer Religion – es spiele nicht einmal eine Rolle, ob man selber religiös sei, so Karaca. Unter den Gästen ist auch Bürgermeister Rainer Busemann, der zum ersten Mal an einem Fastenbrechen teilnimmt: „Schon beim Reinschauen habe ich gestaunt, wie viele Bekannte aus den unterschiedlichsten Gruppierungen ich hier antreffe. Mich interessiert es, mehr über den Ramadan und das Fastenbrechen zu erfahren. Integration ist ein wichtiges Thema für uns hier in Ense. Wir gehen auf die Menschen zu, ganz gleich, aus welcher Kultur oder welchem Land sie kommen, auch dank Vereinen wie ‘Flüchtlinge werden Nachbarn’. Da ist es schön, wenn die Einladung auch von der anderen Seite kommt, so wie heute Abend.“

Auch wenn die Türken und die Nicht-Muslime anfangs noch getrennt sitzen, so vermischen sich beide Gruppen bald. Schneller geht es nebenan: Hinter der Trennwand toben sich die Kinder aus – so etwas wie Berührungsängste kennt man in dem Alter noch nicht.

„Die Organisation hier vor Ort ist ganz hervorragend, und ich bin mir sicher, Sie werden den Saal am Ende dieses Abends mit einem breiten Lächeln verlassen“, sagt Karaca zu Beginn voraus. Und er soll Recht behalten. Vor allem aber: Man hat sich kennengelernt. Man trifft künftig auf der Straße oder an der Supermarktkasse nicht mehr als Fremde aufeinander. Sondern mindestens als Nachbarn, vielleicht sogar bald als Freunde.

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