Bürgermeister Rainer Busemann ergreift zunächst das Wort. Die Bänke und Tische bleiben ungenutzt, auch die Getränke rührt niemand an. „Schön, dass so viele erschienen sind“, sagt Busemann.
Er erklärt, wie groß die Aufgabe für die Gemeinde wird. „Deutschland steht vor der größten Herausforderung durch Vertriebene seit dem Zweiten Weltkrieg“, stellt er klar.
Ense müsse seinen Teil zur Bewältigung beitragen. „Und wir glauben, hier die optimale Lösung gefunden zu haben.“
Der Beigeordnete Dennis Schröder beschreibt, wie sich die Gemeinde auf die Aufnahme von Flüchtlingen vorbereitet. „Nur mal zur Orientierung“, meint er. „Wenn 6000 Menschen nach Deutschland kommen, kommt einer davon nach Ense.“
Bei etwa einer Million zu erwartenden Ukrainern seien das 180 Personen. „Damit rechnen wir aktuell.“ Am Montag seien der Verwaltung bereits die ersten offiziellen Zuweisungen übermittelt worden.
Über einen Aufruf an die Bürger steht der Gemeinde momentan Wohnraum für 80 bis 90 Menschen zur Verfügung.
Im Heico-Gebäude sollen zusätzlich 100 Personen untergebracht werden. „Etwa 50 Prozent davon werden Kinder sein“, sagt Schröder.
Und damit die bestmöglich mit ihren Familien unterkommen können, hat die Gemeinde schon erste Planungen für bauliche Veränderungen im Bürogebäude erstellt.
Zwar sei die Infrastruktur vor Ort schon gut, um solche Maßnahmen komme man jedoch nicht herum.
„Wir wollen die größeren Büros durch Trennwände in kleinere Räume verwandeln“, erzählt Stefanie Müller, Leiterin des Fachbereiches Bauen und Gemeindeentwicklung bei der Verwaltung.
Insgesamt sollen so 35 Räume entstehen. Das sei allerdings erst mal nur der grobe Grundriss, betont Müller. Mitte Mai sollen die ersten Ukrainer hier einziehen können.
Doch all den Planungen zum Trotz: Ohne die Nachbarn kann die vernünftige Unterbringung der Menschen an der Ensestraße dauerhaft nicht gelingen.
„Wir wollen schließlich keine abgeschottete Gruppe haben, die keinen Kontakt zu anderen hat“, sagt Bürgermeister Busemann und spricht die Anwesenden nun direkt an. „Ich erhoffe mir daher Ihren Zuspruch. Dann bin gut gestimmt, dass wir das hinbekommen.“
Und den Zuspruch bekommt der Bürgermeister. Die Nachbarn zeigen ihre Hilfsbereitschaft. Ein Anwohner fragt sogar: „Was können wir tun, um zu helfen?“
Aktuell seien vor allem Handwerker, Lehrer oder Erzieher gesucht, antwortet Busemann. „Es kommt aber natürlich auch ein bisschen darauf an, was die Menschen gelernt haben, die herkommen.“
Am liebsten wolle die Gemeinde die Ukrainer direkt mit beteiligen.
Eine Anwohnerin ist sich wegen der Sprachbarriere unsicher. „Was soll ich denn machen, wenn jemand vor meiner Haustür steht und Hilfe braucht? Ich verstehe die Person doch gar nicht“, fragt sie.
Marco Stelte, Sozialarbeiter bei der Gemeinde, empfiehlt für solche Fälle eine bestimmte Übersetzungs-App für das Handy. „Allgemein sind wir aber auf der Suche nach Dolmetschern“, erklärt er.
Auch Wilfried Pater meldet sich zu Wort. Er spricht für den Verein „Flüchtlinge werden Nachbarn“, den die Gemeinde für den gesamten Aufnahmeprozess mit ins Boot geholt hat.
„Wir betreuen schon ein paar Ukrainer“, sagt er. „Und ich traue uns in Ense zu, dass wir das alles zusammen stemmen.“ Der Verein suche dafür noch ehrenamtliche Helfer.
Noch immer stehen alle Anwesenden, die Bierbänke sind weiterhin leer. Auch bei den Getränken hat noch immer niemand zugegriffen.
Der Abend ist schließlich alles andere als trocken. Und zeigt vor allem eines: Ense steht zusammen – für die Ukraine und für die Menschen, die vor dem Krieg in ihrer Heimat fliehen.