Der Astare-Grill in Bremen ist am Mittwoch voll. Ständig kommen neue Kunden in den Imbiss, geben ihre Bestellung auf. Sellatin Yasar und sein Team haben alle Hände voll zu tun, dem Andrang gerecht zu werden. Eigentlich wirkt alles wie immer, dabei arbeiten die Betreiber heute nicht für sich, sondern für die Menschen im Erdbebengebiet.
Alle Einnahmen des Tages will Yasar dorthin Spenden. „Wir haben Familie im türkischen Teil in der Region“, erzählt er. „Die sind aber zum Glück nicht so stark betroffen.“ Die Häuser der Verwandtschaft hätten dem Beben standgehalten, den Angehörigen gehe es gut.
Trotzdem haben Yasar und seine Mitarbeiter gemeinsam mit Freunden aus dem Sauerland direkt am Montag, als die Erde im Katastrophengebiet gebebt hat, eine Hilfsaktion auf die Beine gestellt. Kleidung, Decken – alles, was die betroffenen Menschen vor Ort gebrauchen könnten, haben sie zusammengetragen. „So haben wir insgesamt sieben Lkw voll bekommen und losgeschickt“, sagt Yasar. „Doch das wird noch lange dauern, bis sie am Zielort ankommen.“
Denn wegen Zollkontrollen in der Türkei stecken die Lkw fest, kommen nicht mehr weiter. Wo die Sachspenden genau sind, weiß Yasar nicht. Er vermutet sie in einer Sammelstelle in Ankara. Dort würden Hilfsorganisationen solche Güter nämlich zusammenziehen, um sie später selbst in der Erdbebenregion zu verteilen, hat er gehört.
Die Einnahmen aus dem Mittwochsgeschäft möchte Yasar deshalb direkter zur Hilfe nutzen. „Wir wollen mit drei Leuten selbst in das Gebiet fahren“, erzählt er. Vor Ort soll das Geld dann genutzt werden, um Lebensmittel für die Betroffenen zu kaufen.
Solch eine große Solidarität würden auch gerne die syrischen Mitbürger in Ense zeigen. Viele von ihnen sind wegen des Bürgerkriegs in ihrem Heimatland hierher geflohen und stammen ursprünglich aus den vom Erdbeben getroffenen Regionen. Allerdings fehlt ihnen die Möglichkeit, ihren Verwandten und Freunden zu helfen. „Aktuell geht nichts“, sagt Wilfried Pater vom Verein „Flüchtlinge werden Nachbarn“, der sich seit ihrer Ankunft um viele syrische Flüchtlinge in Ense kümmert. „Die Grenze zur Türkei ist dicht, auch für Hilfsgüter. Die Menschen in Syrien müssen sich selbst helfen so gut sie können.“ Es komme schließlich einfach nichts im Bebengebiet an.
20 Menschen aus Syrien, die jetzt in Ense leben, hätten in ihrer Verwandtschaft unmittelbar Betroffene von der Katastrophe. „Teilweise sind da Angehörige noch verschüttet. Niemand weiß, ob die noch leben“, schildert Pater die Berichte, die er gehört hat. Das gehe nicht spurlos an den Menschen hier vorbei. „Sie sind schon sehr stark getroffen.“
Dazu kommt, dass der Kontakt ins vom Bürgerkrieg ohnehin schon so arg gebeutelte Land, nicht so verlässlich möglich ist wie in die Türkei. „Die Leute hier in Ense haben teilweise nur sporadisch telefonischen Kontakt zu ihrer Familie dort“, sagt Pater. Dementsprechend schlecht ist die Informationslage, was die bedrückende Ungewissheit nur noch verschlimmert.