Vogelbauer fürs Leben: Dieser Mann baut seit 40 Jahren für seinen Verein

Berthold Wessel-Mönnikes steht seit 40 Jahren für seinen Verein an der Säge. Schon jetzt arbeitet er an dem Vogel, über den am zweiten Juli-Wochenende die Nachfolge für das amtierende Paar Michael und Nicole Radcke der Schützenbruderschaft St. Hubertus Hünningen-Lüttringen entschieden wird.
Hünningen-Lüttringen – Nein, ein väterliches Verhältnis hat er nie zu seinen hölzernen namenlosen „Kindern“ gehabt. Sonst würde er das auch nicht schon so lange durchhalten, dass seine Kunstwerke, kaum, dass sie aufgehängt wurden, schon wieder zu Kleinholz verarbeitet werden.
Bei Berthold Wessel-Mönnikes sind es gleich vier Jahrzehnte, in denen der passionierte Schütze den Vogel für die Schützenbruderschaft St. Hubertus Hünningen-Lüttringen anfertigt. Für ihn selber sei das nichts Besonderes, „ich mache das einfach – jedes Jahr“.
Und doch hat sich einiges getan: Um mal beim Vergleich zur Malerei zu bleiben, wirkt sein erster Vogel noch wie eine Strichzeichnung. Klar, heute sehen sie nicht aus wie ein Picasso, aber das ist auch besser so, denn dann wüsste man schließlich gar nicht, wo man hinzielen sollte. Vielleicht eher wie Bilder der Naiven Kunst. In 3D.
Der Vogel wird gebaut: 150 Euro Materialkosten
Auf jeden Fall aber wie Auftragsmalerei: „Der Vogel wird immer vom amtierenden König bestellt“, meint er. Allerdings wartet er darauf gar nicht erst, er weiß ja, nötig ist der Vogel so oder so. „Bestellt“ bedeutet auch eher „bezahlt“, der König kommt für die Materialkosten des nächsten Todeskandidaten auf, „und die belaufen sich immer so auf rund 150 Euro“.
Zu dem Ehrenamt kam er von Berufs wegen – zumindest ganz zu Anfang. Denn eigentlich ist der Mann gelernter Tischler. 1982, somit zwei Jahre, bevor er umschulte und seinen hölzernen Werkstoff gegen Metall eintauschte, um im Laufe der Jahre bei einem Wickeder Unternehmen zum Vorarbeiter aufzusteigen, sprach ihn Schützenbruder Josef Wrede an, ob er sein Nachfolger als Vogelbauer werden möchte. In jenem Jahr bauten sie gemeinsam einen Vogel, ab 1983 macht er alleine weiter. Sein erster Kunde war der damals amtierende König Willi Vonnahme.
Eine schnelle Ausbildung, möchte man meinen, „aber das geht auf eine Vorlage zurück, die 90 Jahre alt ist. Die Schablonen sind mittlerweile Jahrzehnte alt“. Er selber hatte 1983 gerade einmal das zweite Jahrzehnt vollendet.
Wrede war der erste Vogelbauer des immerhin bereits 1920 gegründeten Vereins. Vor ihm mussten die Könige sich selber einen Vogel besorgen, erinnert sich der heute 60-jährige Wessel-Mönnikes. „Und da wurde viel Schabernack getrieben. Zum Beispiel, indem dafür Weidenholz genommen wurde. Das ist zu weich, das nimmt die Kugeln auf, die bleiben drin stecken, der Vogel geht nicht kaputt.“ Also sagte man sich, wir brauchen da jetzt einen, der ihn jedes Jahr verlässlich so herstellt, wie es sinnvoll und nötig ist. Josef Wrede kam daran, weil er eine eigene Schreinerei hatte.

Zu hart darf das Holz gemäß der heutigen Gesetzeslage dagegen auch nicht sein, dann drohen die Patronen abzuprallen. „Fichte und Tanne, wofür gute Schützen 130 bis 160 Schüsse brauchen“, darauf setzt Wessel-Mönnikes.
Er selber legt immer fleißig mit an auf den Vogel – 2009 war er es selber, der ihm den Rest gab, sprich, im Folgejahr beauftragte er sich selber, blieben die Materialkosten an ihm hängen.
Doch das war es wert, galt es doch, eine Familientradition fortzusetzen: „Meine Familie hat vermutlich die meisten Könige gestellt, und zwar fünf: 1935 Opa Franz, 1964 Vater Franz, 1982 Bruder Horst, 1998 Bruder Detlef und 2009 ich.“ Und seinem Sohn, dem 22-jährigen Benedikt Mönnikes, erster Vorsitzender der Schießgruppe und Spieß der Avantgarde, jucke auch schon der Finger am Abzug.
Den Finger von der Stichsäge ließ der Vogelbauer selbst während der Pandemie nicht – auch, wenn es gar kein Vogelschießen gab. Weshalb einer der begnadigten und vor dem Vogelkasten bewahrten Vögel einen Dauerplatz in der Schützenhalle fand. Über die Jahre baute er weit mehr als 40 Vögel, nämlich auch jene fürs Fest der Avantgarde.
Nicht immer gefällt der Vogel allen
Und nicht immer fallen die Vögel im gleichen Maße zu aller Zufriedenheit aus, so wie vor fünf Jahren, als der König, „ein Nachbar und guter Freund“, auf eine blau-weiße Farbgebung bestand. Die hätte zwar noch den Vereinsfarben entsprochen, wäre da nicht auch der Schriftzug eines Gelsenkirchener Fußballvereins gewesen – was die Anhänger des Klubs der Nachbarstadt massiv wurmte, „weshalb ich das nie wieder machen würde, damit hat man dann nur Theater“. Als der Gegenwunsch nach einem gelb-schwarzen Vogel aufkam, lehnte er daher ab.
Bedanken möchte sich Berthold Wessel-Mönnikes bei Andreas Hauschulte und Siegfried Wrede: „Andreas hat mir früher seine Werkstatt zur Verfügung gestellt und Sigi hat mich mit Holz versorgt.“
Weitere Weggefährten waren sein bester Freund, der 2018 verstorbene Manfred Gutsch, und seine Frau Angelika, die mit ihm und seiner Frau Sabine 1999 das Kinderschützenfest ins Leben riefen. Hier erringen die Jungen und Mädchen die Königswürde, indem sie den Vogel mit Dartpfeilen abwerfen.
Die Termine
Hünningen und Luttringen feiern vom 7. bis 9. Juli in ihrer Halle an der Hermann-Löhns-Straße. Am 19. August schließt sich das Sommerfest der Avantgarde an.