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Niederenser betreiben Weingut und Luxushotel in Südafrika

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Von: Klaus Bunte

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Vor dem Stellenbosch Mountain in Südafrika gedeihen die Weinreben in strahlendem Sonnenschein.
Vor dem Stellenbosch Mountain in Südafrika gedeihen die Weinreben in strahlendem Sonnenschein. © Bunte

Gebürtige Niederense leben in Südafrika ihren Traum. In einer Bilderbuch-Idylle betreiben sie ein Weingut und ein Luxushotel.

Niederense/Stellenbosch – Das Panorama ist beeindruckend. Etliche Reihen von Weinreben strömen einem Fluchtpunkt zu, verlieren sich jedoch in einem Tal mit einem der vielen kleinen Seen, die man in dieser Region antrifft, und im Hintergrund türmt sich vor strahlend blauem Himmel ein imposantes Bergmassiv auf. Es ist der Stellenbosch Mountain, am höchsten Punkt kommt er auf 1 156 Meter über dem Meeresspiegel. Hier kann man es aushalten.

Dazu muss man nur erst einmal dorthin kommen. Knapp 6 000 Kilometer Luftlinie liegt dieser Ort entfernt. Auf dem Landweg wären es sogar über 13 000 Kilometer aufgrund der Überquerung des Mittelmeers an der Iberischen Halbinsel und pralle 176 Stunden Fahrtzeit – aber nur deshalb so viel, weil die Sperrung der A7 umfahren werden muss, beschwichtigt Google Maps. Denn dieses Panorama erwartet den Betrachter dort, wo Südafrika nicht mehr viel südlicher sein kann, keine zehn Kilometer östlich von Kapstadt und somit auch nah zum Tafelberg und zur Tafelbucht des Atlantischen Ozeans gelegen.

Ein Paar aus Niederense hat diesen Weg schon vor über 20 Jahren auf sich genommen – mit mehreren Zwischenstopps, der größte und langandauerndste Schlenker führte über Hongkong. Christiane und Markus Rahmann, beide in Niederense und somit am Fuß des Haarstrangs (mit bis zu 391 Metern über dem Meeresspiegel „geringfügig“ niedriger als Stellenbosch Mountain) geboren, haben dort 2001 ein Weingut gekauft und dieses später um ein Fünf-Sterne-Hotel ergänzt. Eine Auswanderergeschichte aus dem Bilderbuch.

20 Grad ist dort gerade die Tageshöchsttemperatur, hierzulande 14. Dennoch, man könnte neidisch werden. Doch den Rahmanns ist dieses Leben nicht in den Schoß gefallen, sie haben hart dafür gearbeitet, das zeigt sich im Gespräch mit Christiane Rahmann.

„Nach Studium und Ausbildung arbeiteten wir erst in Hamburg und Berlin, gingen dann für einige Jahre nach Hongkong und machten uns dort mit einem Handelsbüro selbstständig. Unsere beiden Kinder kamen dort zur Welt. Auch wenn wir gut verdienten, weil wir hart arbeiteten, sieben Tage die Woche, kam irgendwann der Punkt, an dem wir uns sagten, dass wir uns noch einmal verändern wollten. Außerdem wollten wir, dass unsere Kinder so aufwachsen, wie einst wir es von daheim in Niederense kannten – Outdoor, im Ländlichen.“

Unter blauem Himmel: Die Zimmer (rechts) des Luxushotels des Ehepaars Rahmann in Südafrika.
Unter blauem Himmel: Die Zimmer (rechts) des Luxushotels des Ehepaars Rahmann in Südafrika. © Bunte, Klaus

Markus Rahmann war immer an Wein interessiert gewesen, warum also nicht Ausschau halten nach einem Fleckchen Erde, an dem man selber welchen anbauen kann? Das Paar schaute sich in Europa um, sogar in Australien. „Mein Mann hatte aber immer schon Verbindungen nach Südafrika gehabt, seine Mutter kam aus Namibia und ging in Stellenbosch zur Schule“, erzählt seine Frau. Also unternahm er eine Motorradtour durch die Gegend, führte Gespräche über die heimische Weinkultur und liebäugelte mit einem kleinen Weingut, das aber nicht zum Verkauf stand. Bis eineinhalb Jahre später der Immobilienmakler anrief und vermeldete, dass es nun doch veräußert werden sollte, ob denn noch Interesse bestünde. Und ob! „Mein Mann setzte sich in Hongkong in den Flieger und verhandelte hier mit den Eigentümern. Und so kamen wir an die Weinfarm.“

Unter blauem Himmel: Die Zimmer (rechts) des Luxushotels des Ehepaars Rahmann in Südafrika.
Unter blauem Himmel: Die Zimmer (rechts) des Luxushotels des Ehepaars Rahmann in Südafrika. © Bunte, Klaus

Doch erst zwei Jahre später in 2003 erfolgte der endgültige Umzug. „Wir überlegten, was wir mit der Anlage noch machen könnten. Denn man hat hier wirklich einen außergewöhnlichen Blick und eine herrliche Lage. Zu gutem Wein gehört aber auch immer gutes Essen, und wenn man gut getrunken und gegessen hat, dann wäre es doch schön, wenn man direkt hier übernachten kann. So kam es zu der Idee, aus dem Weingut gleich eine ganze Holiday Destination zu machen.“ Doch „mal eben so“ ein Hotel mit 41 Suiten und Zimmern, Restaurant, Ballsaal und einem kleinen Delikatessen-Laden aus der Portokasse bezahlen und in wenigen Wochen hochziehen, das mag vielleicht in ganz besonders unrealistischen Fernsehfilmen gehen. Der penibel kalkulierte Bau dauerte mehrere Jahre, „das war harte Arbeit. Aber wenn man eine Vision hat, weiß, wo man hin will und etwas erreichen will, dann muss man auch etwas dafür tun und bereit sein, Risiken einzugehen.“ 2008 feierten die Rahmanns Eröffnung, gaben das Hotel zunächst noch in die Hände eines Managers, leiten es jedoch mittlerweile komplett selber.

Dann kam die Pandemie, „und Covid traf uns gleich doppelt hart“. Klar, der Tourismus kam zum Erliegen. Ebenso der Export des Weins. Aber damit nicht genug: In Südafrika beschränkte die Regierung den Verkauf von Alkohol, verbot ihn zum Teil sogar. „Ich denke, man wollte damit einen Anstieg häuslicher Gewalt im Lockdown verhindern“, vermutet Christiane Rahmann. „Wir mussten auf null fahren, haben versucht, so viele Kosten einzusparen und so viele Mitarbeiter zu halten wie möglich. Denn gute Leute will man nicht verlieren, und es hängen ja auch ganze Familien daran. Hier wird man nicht so gut aufgefangen wie in Deutschland. Wir haben die Zeit aber auch zur Renovierung genutzt. Und seither sind wir damit beschäftigt, den Betrieb wieder dahin hochzufahren, wo er früher war.“ Da sei sie jedoch guter Dinge: „Die Touristen kommen wieder, die Flieger sind wieder voll.“

Als Kolonialherren werden sie als Weiße fast 30 Jahre nach Ende der Apartheid nicht wahrgenommen, „wir sind uns bewusst, dass dies nicht ‚unser’ Land ist. Aber die Mehrheit der Menschen hier begreift schon, dass wir investieren und Arbeitsplätze schaffen. Wir sind ohnehin ein multikulturelles Team. Als Weiße leben wir auch in einer gewissen Blase auf einem Kontinent mit so vielen verschiedenen Ländern, Kulturen und Sprachen. Aber gerade das macht es sehr spannend und aufregend“.

In die Heimat kehren die Rahmanns, heute beide Ende 50, immer noch jährlich zurück: „Wenn andere in Urlaub fahren, fahre ich nach Niederense. Denn dort ist unsere Familie, und uns ist es wichtig, dass unsere Kinder, die jetzt beide Mitte 20 sind, den Kontakt zu ihr behalten und sich gegenüber ihren Großeltern, Onkels, Tanten und Cousins nicht fremd fühlen. Außerdem sind sie 3rd culture kids. Das heißt, sie sind aufgewachsen in einem Land, das nicht ihr eigenes ist, und was an deutscher Kultur da ist, das kommt von daheim.“ 2007, als ihr Onkel Detlef Niederenser Schützenkönig war, da hätten sie dann auch mal die volle Packung heimischen Brauchtums erlebt: „Da waren sie noch Kinder und fanden das sehr interessant.“

Nebenbei, das Hotel kann man natürlich nur vor Ort testen. Den Wein dagegen kann man sich nach Hause liefern lassen: „Wir arbeiten mit einem deutschen Importeur namens Capreo zusammen, über ihn kann man unsere Weine bestellen.“

Link zum Hotel und den Weinen: asara.co.za

Link zu den Weinen: capreo.com/weingueter/asara/

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