Wie viele es wirklich sind, merkt man aber erst beim Betreten der Halle. Im Eingangsbereich liegen Klebezettel und Stifte bereit.
Die Anwesenden haben sich damit Namensschilder gebastelt und angeheftet. Jeder hier trägt eines, sogar der Bürgermeister.
Der ist begeistert von der Resonanz dieser Veranstaltung. „Mit so vielen hatte ich überhaupt nicht gerechnet“, sagt Rainer Busemann.
Erst in der letzten Woche hat die Verwaltung zu diesem Treffen eingeladen. Ziel ist es, so viel ehrenamtliche Hilfe für die Ukraine aus der Bevölkerung heraus zu organisieren wie möglich.
Und die Anwesenden wollen helfen. So gut wie sie können.
Die Hilfsangebote hat die Gemeinde gemeinsam mit dem Verein „Flüchtlinge werden Nachbarn“ in vier verschiedene Bereiche eingeteilt: Handwerker, Angebote für Kinder, Jugend und Familie, Fahrdienste sowie Trödel.
„Sie sollen hier mit ihren Ideen mitgestalten, dafür sind wir offen“, erklärt Sozialarbeiter Marco Stelte. „Jeder soll seine Fähigkeiten mit einbringen können.“
Wie dringend nötig die Unterstützung der Enser Bevölkerung ist, macht Bürgermeister Busemann deutlich. „Die Lage ist sehr dynamisch und kaum planbar“, sagt er.
Die Verwaltung stelle sich bei ihrer Organisation auf 250 bis 300 Menschen aus der Ukraine ein, die Ense zugewiesen werden. Das sind nochmal mehr als in den ersten Planungen in der Vorwoche.
Sozialarbeiter Stelte spricht von einem „Kaltstart“, was die Infrastruktur für die große Aufnahme von Flüchtlingen angeht. „Nach der großen Welle 2015 haben wir alles zurückgefahren. Das jetzt wird daher eine riesige Herausforderung.“
Einer der wichtigsten Punkte in Ense ist die Unterbringung der Vertriebenen. Dafür hat die Verwaltung eine Priorisierung erstellt.
Zunächst sollen die Ukrainer im privaten Wohnraum unterkommen. „Rund 30 Enser stellen uns etwas zur Verfügung“, berichtet Busemann. Das reiche für 80 bis 90 Menschen aus.
Sind diese Plätze belegt, greift die Verwaltung auf die katholischen Pfarrheime in Bremen und Niederense zurück. Die stellt die Pfarrei bereit.
Eigentlich war geplant, diese Möglichkeit erst weiter hinten auf der Prioritätenliste zu führen. „Doch wir haben sie auf Platz zwei geschoben“, erklärt Busemann. Man brauche schon kurzfristig höherer Kapazitäten.
Damit die Pfarrheime auch als Unterkunft taugen, hat das Rathaus bereits sechs Duschcontainer samt Toilette bestellt. Ein paar von ihnen sollen Platz neben den Heimen finden.
Die Hochstufung der Pfarrheime hängt auch mit Platz drei auf der Liste zusammen: dem Gebäude der Firma Heico in Niederense.
Geschäftsführer Jan Heimann beschleunigt den Umzug seiner dortigen Verwaltung ins neue Quartier in Höingen so, dass die Gemeinde es ab dem 9. Mai für die Ukrainer herrichten kann.
Dafür sucht das Rathaus derzeit auf Hochtouren nach ehrenamtlichen Handwerkern. Insgesamt 35 Räume will die Gemeinde in dem Bürogebäude schaffen, dazu einen Spiel- und Essensbereich.
40 Wasch- und Spülmaschinen sind geordert. All das soll bis Mitte Mai nutzbar und bezugsfertig sein.
„Wenn wir dafür Firmen beauftragen würden, wäre das nicht zu schaffen“, stellt Busemann klar. „Deshalb müssen wir in Eigenleistung gehen. Ohne wird das nicht klappen.“
Auf den Plätzen vier und fünf der Prioritätenliste stehen die kommunalen und die Notunterkünfte. Die kommunalen Wohnungen will die Gemeinde möglichst lange zurückhalten.
Dort sollen beispielsweise afghanische Ortskräfte unterkommen, die Ense zugewiesen werden. Auch den Lindenhof in Niederense wolle man nicht nutzen.
Hier plant die Gemeinde stattdessen verschiedene soziale Aktivitäten für die Vertriebenen.
All diese Vorhaben sind ohne die Enser Bevölkerung jedoch nicht möglich.
Das wird an diesem Abend in der Hubertushalle immer wieder deutlich. Um die Hilfsangebote besser koordinieren zu können, hat das Rathaus in der Halle Listen für die vier jeweiligen Bereiche ausgelegt.
„Dort können Sie sich eintragen, wenn helfen möchten“, erklärt Marco Stelte. „Wir wollen in den einzelnen Bereichen mit WhatsApp-Gruppen arbeiten.
Darin können Menschen dann ihren Bedarf deutlich machen und wer den bedienen kann, kann sich melden.“
Die Hilfe könne dabei sehr unterschiedlich aussehen. So würden etwa Menschen benötigt, die bei der Betreuung der ukrainischen Kleinkinder in der Heico-Unterkunft helfen.
„Doch wir brauchen auch Lagerflächen, Leute für Fahrdienste oder Sprach-, Sport- und Kreativitätsangebote“, sagt Stelte. „Scheuen Sie sich nicht, mit ihren Ideen auf uns zuzukommen.“
Wilfried Pater vom Verein „Flüchtlinge werden Nachbarn“ macht noch mal klar, worum es bei der Unterstützung der Vertriebenen geht. „Wir wollen sie hier in Ense integrieren“, sagt er.
Es sei nicht damit zu rechnen, dass die Ukrainer in zwei oder drei Monaten wieder in ihre Heimat zurückkehren könnten. „Doch gemeinsam bekommen wir das wunderbar hin.“
Bei den Interessierten taucht jedoch die ein oder andere Frage auf. Wie versorgen sich die Vertriebenen in Ense eigentlich? Stelte erklärt: „Die Menschen bekommen Geld und Einkaufsmöglichkeiten gezeigt.
Ihre Eigenständigkeit geben sie an der Grenze nicht ab.“ Ein anderer Enser will wissen, wie es mit dem Versicherungsschutz für die Helfer aussehe. Er bekommt die Antwort, dass jeder Helfer über die Gemeinde versichert sei.
„Und was ist mit den Haustieren der Leute? Können sie die in die Unterkünfte mitnehmen?“, möchte er eine Enserin wissen. Darauf hat Stelte jedoch keine konkrete Antwort.
„Für die kommunalen Unterkünfte konnten wir das bisher noch nicht klären. Das ist eine Versicherungsfrage“, meint er.
Sprach-Unterricht für die Erwachsenen sei aktuell auch nur schwer zu organisieren. Die Gemeinde habe zwar Kontakt zur VHS aufgenommen, dort fehle es aktuell jedoch an passenden Dozenten.
Vielen ist auch der Impfstatus der Ukrainer wichtig. Laut dem Bundesgesundheitsministerium sind gerade mal ein Drittel der Ukrainer vollständig gegen Corona geimpft.
Wilfried Pater erklärt: „Manche haben auch Sputnik bekommen. Doch das wird hier nicht anerkannt.“ Bei genügend Betroffenen würde der Kreis allerdings Sonder-Impfaktionen anbieten.
Bürgermeister Busemann blickt angesichts der zahlreichen Hilfswilligen trotz der vielen Unklarheiten positiv in die Zukunft. „Ich will nicht sagen, dass wir das schaffen.
Dieser Satz ist mittlerweile schon zu oft verwendet worden“, meint er. „Stattdessen sage ich: Dat Ding wuppen wa.“