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Neues Angebot: Wandern und Schmusen mit Eseln

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Von: Klaus Bunte

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In Sieveringen gehört es zum Alltag, wenn Carolin Weber mit ihren beiden Eseln spazieren geht. Daraus hat sie ein Geschäftsmodell entwickelt, durch das sie die Haltung der Tiere refinanziert.
In Sieveringen gehört es zum Alltag, wenn Carolin Weber mit ihren beiden Eseln spazieren geht. Daraus hat sie ein Geschäftsmodell entwickelt, durch das sie die Haltung der Tiere refinanziert. © Klaus Bunte

Carolin Weber hat ein ungewöhnliches Geschäftsmodell entwickelt: Die 21-Jährige aus Sieveringen bietet Eselwanderungen und „Eselkuscheln“ an.


Sieveringen – Unvermittelt bleibt Frieda stehen und schaut stur in eine Richtung. Zur Abwechslung nicht, weil das Gras am Straßenrand so saftig grün und verlockend wirkt. Sondern, weil da was ist, was sie nicht kennt. „Die Bushaltestelle ist ganz neu, die sieht sie jetzt zum ersten Mal“, meint Carolin Weber, die Besitzerin der Eselsdame. Gewohnt dagegen ist in Sieveringen der Anblick des dreiköpfigen und zehnfüßigen Gespanns, wenn die junge Frau mit ihren beiden Grautieren durchs Dorf zieht, „jeder kommt uns lächelnd entgegen“.

Es ist windig, aber den Esels macht das nichts. Hauptsache, mal wieder raus trotz des Dauerregens, „der ist nichts für die Tiere, das Fell ist hinterher so klatschnass wie bei einem Hund“. Bei schönem Wetter hätten Frieda und Emma jetzt auch eine schöne große Wiese vor dem Haus der Webers, auf der sie sich austoben können, aber so haben sie einen alten Stall neben dem Haus ganz für sich und eine Handvoll Heidschnucken.

Emma (links) und Frieda hoffen auf gutes Wetter, damit sie sich wieder mehr auf ihrer Wiese vorm Stall austoben können.
Emma (links) und Frieda hoffen auf gutes Wetter, damit sie sich wieder mehr auf ihrer Wiese vorm Stall austoben können. © Weber

Caro Weber kommt zwar vom Land, aber allenfalls geografisch vom Bauernhof, zuletzt nutzte der Großvater das Gelände landwirtschaftlich. Ihr Mutter ist Bankkauffrau, der Vater Schreiner. Aber die junge Frau studiert zurzeit an der FH Soest Agrarwirtschaft, zuvor machte sie bereits eine Ausbildung zur Landwirtin, „und von meinen ersten beiden Ausbildungsgehältern habe ich mir meinen Traum erfüllt: zwei Esel.“

Frieda kommt aus einem Zirkus

Frieda ist die ältere der beiden. 2006 geboren, zog sie im Alter von elf Jahren bei den Webers ein, nach einem Leben in einem Zirkus, der aufgab und seine Tiere an einen anderen Zirkus verkaufte. Der hatte für Esel keine Verwendung und inserierte auf Ebay Kleinanzeigen. „Daher ist sie Rummel gewohnt“, meint Caro Weber, „und strahlt dennoch immer eine unglaubliche Ruhe aus. Selbst, als ihr mal ein Hund ins Bein gebissen hat, blieb sie noch ruhig.“

Emma kam im September 2018 zur Welt, ist also noch ein Jungspund: „Sie war eines von vier Fohlen, sie kam direkt auf mich zu, da passte sofort die Chemie. Mit ihr bin ich schon bald extra an Schnellstraßen vorbeigelaufen, um sie an alles zu gewöhnen.“ Nach ihrer Ankunft machte Carolin Weber Emma direkt mit ihrer schwerstbehinderten Schwester Christina (27) bekannt, „und obwohl Emma damals eine Draufgängerin war, wurde sie gleich total ruhig. Sie lässt sich von Christine sogar an den Ohren ziehen. Alles kein Thema.“ Einmal habe sie eine Besucherin gehabt, die Angst hatte vor Eseln. Nach zwei Stunden habe sie die beiden gar nicht mehr verlassen wollen.

„Sie sind nicht meine Angestellten, wir sind ein Team“, meint ihre „Arbeitgeberin“. Gut, zwei Drittel des Teams werden in Naturalien bezahlt, für ihre Einsätze als „Herzensesel“. So nennt die junge Enserin ihr Unternehmen, das sie komplett alleine managt. Die Geschäftsfelder, wie gesagt, Kuscheln mit den Eseln und Rundgänge von zwei Stunden, stets in ihrer Begleitung, „denn wenn ich dabei sein, kann passieren, was will, die Esel bleiben ruhig, weil ich dabei bin und ebenfalls ruhig bleibe“. Ein Grundvertrauen, das in beide Richtungen gilt: „Wenn man einmal das Vertrauens eines Esels gewonnen hat, dann folgt er Dir bis in den Tod.“

Ein Leben mit Tieren

Ihr ganzes Leben habe sie sich mit Tieren beschäftigt, züchte auch seit zwölf Jahren Tauben und Hühner. Von dieser Tierliebe möchte sie etwas weitergeben: „Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, das erst zu tun, sobald ich mit dem Studium fertig bin und im Berufsleben stehe. Eine Motivation dazu war auch stets meine Schwester. Aber dann kam Corona. Und da kamen so oft die Kinder aus dem Dorf, ganze Familien, um die Tiere auf der Weide zu besuchen, im Rahmen dessen, was möglich und erlaubt war, weil sie mal was anderes sehen wollten. Ich sah, wie gut es ihnen tat, auf diese Weise dem Alltagstrott zu entkommen. Also dachte ich mir, ich nutze die Zeit sinnvoll.“ Denn aufgrund der Pandemie studierte sie bislang eh fast ausschließlich online von daheim, „ich war bislang vielleicht zehnmal an der FH“. Aktuell baut sie eine Partnerschaft auf mit einem Anbieter für Ambulantes Betreutes Wohnen.

Auch Carolin Webers Schwester Christina fand ganz schnell einen Draht zu den beiden gutmütigen Tieren. Auch Carolin Webers Schwester Christina fand ganz schnell einen Draht zu den beiden gutmütigen Tieren.
Auch Carolin Webers Schwester Christina fand ganz schnell einen Draht zu den beiden gutmütigen Tieren. Auch Carolin Webers Schwester Christina fand ganz schnell einen Draht zu den beiden gutmütigen Tieren. © Weber

Die Rundgänge erfolgen spontan und individuell im eigenen Tempo: „Dabei ist man voll auf die Esel konzentriert, und oft bemerken die aufmerksamen Tiere etwas, was man selber gar nicht wahrgenommen hat, und sei es nur die neue Bushaltestelle, ein Storch auf dem Feld oder der Bauer, der in der Ferne ackert. Während man sonst immer schon drei Schritte weiterdenkt, bringen einen die Esel ins Hier und Jetzt zurück. Und merkt der Esel, dass man nicht voll und ganz bei ihm ist, dann macht er auch schon mal Blödsinn. Und die Esel lernen ihrerseits, dass es unterschiedliche Menschen gibt, sie vor ihnen aber dennoch keine Angst haben müssen.“

„Der Esel spiegelt den Charakter“

Gekuschelt wird mit den Eseln bei gutem Wetter draußen auf der Wiese, dazu sollen noch Bänke installiert werden, „wichtig ist mir, dass die Tiere nicht gezwungen werden“. Doch letztlich finde jeder Kontakt zu einem der beiden charakterlich unterschiedlichen Tiere: „Ich teile niemandem einen Esel zu. Unsere Besucher lernen die beiden dadurch kennen, dass sie sie putzen, und immer entscheidet sich der eine für Frieda, der andere für Emma. Der Esel spiegelt den Charakter des Menschen am anderen Ende des Stricks.“

Große Sprünge macht sie mit ihrer Arbeit finanziell zumindest noch nicht, sie refinanziert vielmehr die Haltung der Esel. Und die Esel sind beschäftigt: „Diese Tiere sind zu klug, um sie einfach nur auf der Wiese herumstehen zu lassen.“

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