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Kleiner Ort ganz groß: Rasant gewachsen und Heimat von Heinz Kettler

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Von: Uta Müller

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Die Ur-Parsiter (v.l.) Helmut Schleimer, Heinz Knoop und Friedhelm Peck vor dem Fachwerkgebäude der Familie Knoop – der Hof wird als einziger noch als Vollerwerbslandwirtschaft vom Sohn betrieben.
Die Ur-Parsiter (v.l.) Helmut Schleimer, Heinz Knoop und Friedhelm Peck vor dem Fachwerkgebäude der Familie Knoop – der Hof wird als einziger noch als Vollerwerbslandwirtschaft vom Sohn betrieben. © Uta Müller

Mittendrin in der Gemeinde Ense liegt Parsit. Das an Grundfläche mit 1,36 Quadratkilometern drittkleinste Dorf vereint die viertgrößte Einwohnerzahl der Gemeinde. 918 Einwohner nennen den Ort ihr Zuhause. Allein anhand der Zahlen wird deutlich: Parsit ist geprägt von Wohnbebauung.

Parsit - An der Hauptstraße, die viel befahrene Ortsdurchfahrt, geben sich Industrie, Geschäfte und Wohnbebauung ein Stelldichein. „Uns gehört das halbe Feuerwehrgerätehaus“, sagt Friedhelm Peck als Ur-Parsiter, verweist doch das Ortsschild erst gut 100 Meter weiter auf den Ort. Die Grenze ist schon einige Meter davor, wissen die alteingesessenen Parsiter. „Bremen und Parsit sind mehr oder weniger eins“, so Friedhelm Peck. Die Orte sind in diesem Bereich zusammen gewachsen.

Verlässt man die Hauptstraße in südliche Richtung, geben sich Vögel die Straßennamen gegenseitig in den Schnabel. „Amsel, Drossel, Fink und Star“ aus dem alten Volkslied „Alle Vögel sind schon da“ – das sollte eigentlich die Nationalhymne von Parsit sein. Man hat aber eine eigene, in der eher auf Spitzbuben und das schlüpfrige Lieschen im „Persien bei Nacht“ eingegangen wird. Aber auch die braven Singvögel teilen sich ja schließlich mit räuberischen Greifvögeln ihr Revier, sind in den Straßennamen auch Habicht, Sperber und Co vertreten.

In diesem Bereich hat gepflegte Wohnbebauung die Oberhand. Mit einer aktiven Gemeinschaft. Am Bannerweg ist noch der alte Teil Parsits festzumachen, hat man im Dorf früh angefangen, genau diese zu vereinen. Eine Übersicht der Einwohnerzahlen gibt Aufschluss, wie sehr der Ort gewachsen ist. Waren es 1940 gerade mal 170 Einwohner, war man 1960 „ganz stolz“ auf 222, die man noch per Hand zusammenzählen konnte. 1964 war der Starenweg das erste größere Baugebiet. 1992 stieg die Zahl der Bürger sprunghaft auf 630 bis zu den heutigen über 900 Parsitern. Was sich sicherlich auch im Bau des Kindergartens Pusteblume (1994) niederschlägt. Der Bedarf war da, die Kita konnte 2013 erweitert werden. Die Grundschüler gehen in die Grundschule nach Höingen, weiterführende Schulen gibt’s mit der Conrad-von-Ense-Schule in Bremen und im Umfeld in Neheim, Werl oder Soest.

Ein Beispiel des gesellschaftlichen Miteinanders ist der Verein „Freunde und Förderer der Spielplätze Parsit“, der sich 1997 gründete. 1994 hat man begonnen, den Spielplatz am Taubenweg mit viel Eigenleistung anzulegen. Im Laufe der Jahre ist das Gelände mithilfe der Gemeinde und Fördermitteln zum Generationentreff geworden. Die rund 100 Mitglieder des Vereins kümmern sich regelmäßig mit Arbeitseinsätzen um die Instandhaltung. Neben attraktiven Spielgeräten und Sitzmöglichkeiten machen die Fitnessgeräte und die Boccia-Bahn den Spielplatz zu etwas Besonderem, der nicht nur allein von Parsitern genutzt wird. „Der Mehrgenerationenplatz erfreut sich großer Beliebtheit bei Jung und Alt“, weiß Friedhelm Peck.

Alle zwei Jahre findet am Taubenweg ein Dorffest statt, dessen Erlös in den Erhalt des Spielplatzes fließt. Bereits vorher hat man sich „sehr spontan“, so Peck, am Banner unter den Eichen getroffen. „1970 wurde das Fest dann zur festen Institution, mit dem Ursprungsgedanken, dass „Alt-Parsit und Neu-Parsit sich besser kennen lernen“, sagt Helmut Schleimer.

Parsit, Bremen und Ruhne eine Achse

Bereits 1989 bis 1992 schloss man sich schon einmal in einer Initiative zusammen, um den Parsiter Bildstock zu realisieren. Der Wunsch, ein christliches Symbol im Ort zu errichten, einte einige Bürger und wurde mit der Einweihung im Juli 1992 Realität. „Gott und seine Schöpfung bewahren – ihr werdet meine Zeugen sein“, vereinen Bildnisse in drei Säulen die Grundwerte des menschlichen Lebens. Die Günner Künstler Gebrüder Winkelmann haben die Säulen gefertigt.

Ansonsten tendiert man in Parsit in Sachen Vereinswesen zum Hauptort Bremen. „Die Schützenhalle liegt für manchen Parsiter näher als für manchen Bremer“, sagt Heinz Schleimer lachend, ist die St.-Lambertus-Schützenbruderschaft Heim für die dem Schützenwesen zugetanen Bürger. „Seit Generationen sind Parsit, Bremen und Ruhne schon eine Achse“, erzählt der Ur-Parsiter, ist ja auch Ruhne neben den Bremer Schützen sehr aktiv.

Spricht man von Parsit, kommt man um einen Namen nicht herum: Heinz Kettler. Als letzter Bürgermeister von Parsit vor der kommunalen Neugliederung 1969 hat der Ur-Parsiter dort ein weltweit agierendes Unternehmen aufgebaut, das bis zur Insolvenz und dem endgültigen Aus 2019 seinen Hauptsitz dort hatte. Angefangen mit Töpfen und Sieben, hat er einen Gattungsbegriff im Duden erarbeitet – das Kettcar. Laut Aussage des Unternehmens wurde das Tretauto aus Parsit mehr als 15 Millionen Mal verkauft. Über Campingartikel, das erste Fahrrad aus Aluminium, Kinderfahrzeuge, Gartenmöbel bis hin zu Tischtennisplatten und Fitnessgeräten führte der Weg des 1949 gegründeten Unternehmens in den Weltmarkt. 1985 erhielt der Parsiter das Bundesverdienstkreuz erster Klasse. Heinz Kettler verstarb 2005 im Alter von 77 Jahren.

Das Gebäude wird ortsbildprägenden Charakter in Parsit behalten. Dort hat die Kettler-Stiftung ihren Sitz, von Vater und Tochter noch zu Lebzeiten 1999 gegründet, hat sie den Zweck, den „Inklusionsgedanken zwischen dem Freizeitsport und dem Behindertensport in die Praxis umzusetzen“. Auch das frühere Wohnhaus der Familie Kettler steht noch an der Hauptstraße und ist wohl das älteste in Parsit, datiert man sein Baujahr auf 1825 – 1830. Straßennamen erinnern an den Parsiter.

Stanz-Technologie, flexible Blechfertigung und Werkzeuge tragen ebenso das Siegel „Made in Parsit“. Das mittelständische Unternehmen Pauli mit rund 170 Mitarbeitern hat mit mehr als 50 000 Quadratmetern Fläche einen nicht unerheblichen Anteil an Parsit und den dortigen Arbeitsplätzen.

Im nördlich der Hauptstraße gelegenen Einkaufszentrum mit Bäcker, zwei Lebensmitteldiscountern, einem Non-Food-Unternehmen, Bekleidungsgeschäft, Friseur und Getränkehandel kann man die Dinge des täglichen Bedarfs auch fußläufig erledigen.

Vom ursprünglichen Bauerndorf ist nur noch wenig zu sehen, gibt es nur noch einen Vollerwerbslandwirt und einen Nebenerwerbslandwirt. Der Vollerwerbslandwirt Knoop pflegt die Tradition seines Hofes, der 1870 erbaut wurde. Er ist ein Beispiel für liebevoll gepflegte Tradition und Historie. Sie machen sich die Mühe, auch Hofinschriften in liebevoller Handarbeit mit Malpinseln instand zu halten. „Das macht ja auch Heimat aus“, sagt Heinrich Knoop, der mittlerweile den Betrieb in die Hände seines Sohnes gelegt hat. Drei dieser Zeitzeugen in Form von Hof-inschriften gibt es noch in Parsit, wenn auch eine mittlerweile in das Innere des Hauses verlegt wurde.

Während vielerorts die kleinen Dörfer keine Gastwirtschaften mehr haben, kann sich Parsit mit einem seit 1957 bestehenden Gasthof rühmen. Theo Wulf hat die Zeichen der Zeit erkannt, hat erst im kleinen Rahmen und später sogar um 22 Gästezimmer und eine weitere Kegelbahn erweitert. Der Ursprung der betrieblichen Einkünfte war die 1932 erbaute, erste moderne Tankstelle im Amt Bremen.

„Dass Parsit auch eine Kirche hatte, wissen die wenigsten“, erzählt Helmut Schleimer. Eine Kellerkapelle, um genau zu sein, im Haus der Familie Peck. Ursprünglich hatten dort sechs Ordensschwestern vermutlich durch die Kriegswirren ihre Bleibe. Sie nähten dort Messgewänder. Als sie nach drei Jahren Parsit verließen, zog der pensionierte Pfarrer Knostmann dort ein und las jeden Tag eine Messe. „Da war den Parsitern der kurze Weg lieber als zur großen St.-Lambertuskirche nach Bremen“, berichtet Heinrich Knoop.

Während der Ort sich sehr zentriert präsentiert, hat man zu allen Seiten herrliche Möglichkeiten zu Spaziergängen. Am Bannerbach und weiter hinaus erlauben Wirtschaftswege je nach Wunsch in größeren oder kleineren Runden bis in die Nachbardörfer Lüttringen und Höingen zu spazieren. Was ebenso von den Nachbardörfern genutzt wird.

Erste Erwähnung des Rittergutes „Burset“

Die Spielplatzfreunde haben einen Naturspielpfad von 1,9 Kilometern als Rundweg angelegt. Verweilzonen, Insektenhotel und Tastkästen, auch gefördert mit Projekt- Mitteln, laden in die freie Natur ein. Eine Naturtreppe ermöglicht einen komfortablen Auf- beziehungsweise Abstieg eines Höhenunterschieds. Der Weg ist ausgeschildert. Natürlich sind auch Menschen außerhalb von Parsit eingeladen, auf Erkundungstour zu gehen.

Die früheste Erwähnung Parsits findet man übrigens im 13. Jahrhundert. Sie befasst sich allerdings nicht mit der Ansiedlung, sondern mit dem ehemaligen Rittergeschlecht mit der alten Schreibweise „de Bursit“ (von Parsit). Ursprünglich Burset, verwandelte das Dorf seine Schreibweise um 1800 zu Persett oder Perset. Da damals nur die höhergestellten Menschen des Schreibens mächtig waren, schlich sich irgendwann ein Schreibfehler ein. Und es wurde zu dem heutigen Parsit.

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