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Ukrainische Kinder werden integriert: „Prywít!“ heißt „Hallo!“

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Von: Ludger Tenberge

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Kontaktaufnahme gelungen: Was Taras und Maria Römer hier im Kreis einiger ukrainischer Kinder spielerisch demonstrieren, ist eine wichtige Grundlage für die Betreuung und Beschulung der Flüchtlingskinder.
Kontaktaufnahme gelungen: Was Taras und Maria Römer hier im Kreis einiger ukrainischer Kinder spielerisch demonstrieren, ist eine wichtige Grundlage für die Betreuung und Beschulung der Flüchtlingskinder. © Peter Dahm

Seit den Osternferien wird die Sälzer-Grundschule bei der Betreuung der ukrainischen Flüchtlingskinder von einer Fachkraft unterstützt, die selbst aus der Ukraine stammt. Angesichts der vielfältigen Traumatisierungen der Kinder ist dies eine wertvolle Hilfe.

Bad Sassendorf – Kinder, die sich beim Lärm eines Tieffliegers verängstigt unter den Tischen verkriechen oder die beim Üben für den Feueralarm an allen Gliedern zittern oder in Tränen ausbrechen: Rektorin Ulrike Kowatz kann an verschiedenen Beispielen aufzeigen, wie traumatisiert viele Kinder sind, die seit dem Kriegsausbruch am 24. Februar aus der Ukraine geflüchtet sind. Die Betreuung dieser Kinder stellt die Sälzer-Grundschule vor große Herausforderungen.

Eine große Hilfe ist daher Philologin Maria Römer, die das Kollegium als Fachkraft unterstützt. Die 36-Jährige stammt selbst aus der Ukraine, was die Kontaktaufnahme zu den Kindern und ihren Familien naturgemäß enorm erleichtert. Das zeigte sich, wie Maria Römer erzählt, schon am ersten Tag, denn die Kinder machten gleich große Augen: „Da ist jemand, der unsere Sprache kann...“

Mit einiger Verzögerung kamen seit dem Kriegsausbruch auch in Bad Sassendorf ukrainische Familien an, für deren Kinder, wie in Deutschland üblich, die Schulpflicht gilt. Anfangs, berichtet Schulleiterin Ulrike Kowatz, wurden die ukrainischen Grundschüler in einer Willkommensklasse gemeinsam betreut. Die Beschulung sei wegen verschiedener Aspekte eine Herausforderung. So sind die Kinder mit dem kyrillischen Alphabet aufgewachsen und müssen sich auf die lateinische Schrift umstellen. Nur wenige konnten einige Brocken Englisch oder Deutsch, die Kriegserfahrungen, die Trennung von den in der Ukraine gebliebenen Vätern und Angehörigen machen den Kindern zu schaffen.

Da erwies sich die Bewerbung von Maria Römer, die schon in Rüthen und in Soest an Schulen beschäftigt war, als glücklicher Umstand. Seit den Osterferien ist die 36-Jährige mit befristetem Vertrag an der Sälzer-Grundschule beschäftigt. „Ihr Einsatz ist für uns sehr bereichernd“, betont Rektorin Kowatz im Namen des Kollegiums. Das gilt, wie beim Fototermin mit einer kleinen Gruppe erkennbar, auch für die Kinder, die mit Römer in ihrer Muttersprache reden können. Und zwar ganz nach ihren Bedürfnissen. „Ich frage nicht viel nach“, sagt sie, „wenn die Kinder erzählen wollen, dann kann das ganz plötzlich kommen.“ Wobei die Traumatisierung der Kinder auch an vielen kleinen Dingen erkennbar sein kann, etwa daran, dass ein Mädchen ihre Bilder nur in Schwarz-Weiß malen will.

Dank ihrer Sprachkenntnisse stellte Römer mit der Zeit fest, dass die ukrainischen Kinder zunehmend unter sich blieben. In Abstimmung mit dem Kollegium werden die Kinder seither nicht mehr in der Willkommensklasse, sondern in den ihrem Alter entsprechenden Schulklassen unterrichtet, um ihre Integration und auch den Spracherwerb zu fördern. Deutsche Schüler wurden ihnen als Paten zugeordnet, viele Kinder hätten sich für die Aufgabe gemeldet, berichtet Kowatz. Auch sonst ist die Hilfsbereitschaft offenkundig ausgeprägt. Ob mit Stiften oder dem eigenen Butterbrot: Viele der deutschen Kinder wollten den ukrainischen helfen, hat Maria Römer beobachtet.

Hilfreich für den Unterricht ist zudem die digitale Ausstattung, die im Zuge der Corona-Pandemie verbessert wurde. Anhand der Tablet-Computer mitsamt Kopfhörer könnten die ukrainischen Kinder während des Unterrichts in ihrem eigenen Tempo Lernfortschritte erzielen, berichtet Ulrike Kowatz.

Seit dem Beginn des laufenden Schuljahres sind zwischen 14 und 16 ukrainische Kinder an der Grundschule, zwei weitere sollen nächste Woche hinzukommen, viele wollen aber auch wieder in die Heimat zurück. Es bleibt somit bei einer gewissen Fluktuation. Auch bei solchen bürokratischen Dingen ist Maria Römer als Dolmetscherin für die ukrainischen Mütter eine wichtige Hilfe. Denn eine deutsche Besonderheit ist ihr schnell bewusst geworden, wie sie berichtet: „Wir haben viel Papierkram...“

Werdegang

Maria Römer (36) ist in Dnipro in der Ukraine geboren und später in Moldawien aufgewachsen. Im ukrainischen Luhansk studierte sie Philologie (Deutsch und Englisch), zudem spricht sie neben Ukrainisch auch Russisch. Nach dem Bachelor kam sie vor 16 Jahren nach Deutschland, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Der Liebe wegen, wie sie sagt, ist sie geblieben. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Rüthen, die drei Kinder besuchen inzwischen das Gymnasium.

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