Virtuelle Tour zu Stationen der Verschickungskinder: Was „Petra“ auf Kinderkur erlebt

„Petra“ ist acht Jahre alt und nicht gerade sehr wohlgenährt. Deshalb darf sie zu einer Kinderkur nach Bad Sassendorf fahren.
Bad Sassendorf – Was das Kinderkurkind dort von der Ankunft über die erste Nacht im Schlafsaal oder die Solebäder in den Holzbottichen erlebt, das schildert eine virtuelle Tour durch den Ort.
Dass Petra rein äußerlich einen etwas trübseligen Eindruck vermittelt, ist gewollt, berichtet Jeanette Metz, die Leiterin des Museums Westfälische Salzwelten. „Sie sieht einfach aus, wie ein Kind, das etwas aufgepäppelt werden muss.“ Besonders viel Mühe haben sich die Entwickler der virtuellen Tour durch den Ort aber auch mit der Darstellung der Grundstimmungen gemacht: Mal wirkt „Petra“ ängstlich, mal traurig, mal neutral, bisweilen fröhlich.
Von der Anreise bis zur Ankunft
Geschildert werden in der Tour die typischen Stationen, die die Kinder früher auf Kinderkur in Bad Sassendorf erlebt haben. So reicht der Erzählfaden von der Vorgeschichte und Anreise über die Ankunft im Kinderkurheim oder die erste Nacht im Schlafsaal bis zu den Solebädern, dem Essen im Speisesaal, Spielen und Freizeit und den Erfahrungen um Post und Kommunikation mit den Eltern bis zur Rückfahrt nach Hause.
Aufarbeitung des Kinderkurwesens
Dass viele Aspekte des früheren Kinderkurwesens noch erforscht werden müssen, hat zuletzt der mehrtägige Kongress zum Thema Verschickungskinder in Bad Sassendorf gezeigt. Ein wichtiger Schritt zur weiteren Erforschung besteht darin, dass in NRW die Bildung eines Rundes Tisches beschlossen wurde, um das Leid der ehemaligen Verschickungskinder aufzuarbeiten. Das Gremium soll im nächsten Jahr mit der Arbeit beginnen. Bereits Anfang dieses Jahres hatte das NRW-Gesundheitsministerium eine Studie zum Thema Verschickungskinder vorgelegt. Demnach wurden in NRW zwischen 1949 und 1990 Kurmaßnahmen für 2,1 Millionen Kurkinder durchgeführt. Die Studie bestätigt zudem, dass die Erlebnisse in den Kinderkurheimen viele Kinder belastet oder sogar traumatisiert haben.
Die Grundlage für die Texte von Petra bildet der Workshop mit ehemaligen Kurkindern, der Historikerin Lena Krull und Studenten der Uni Münster vor zwei Jahren. Die Aussagen des virtuellen Kindes beruhen auf den Berichten ehemaliger Kurkinder, darunter 36 Interviews. Wichtig auch: Petras Schilderungen entsprechen einer subjektiven Sicht, wie sie ein Kurkind erlebt haben mag.
Intensive Erforschung des Kinderkurwesens
Ergänzt wird diese Ebene um schriftliche Texte, in denen Hintergründe zu dem damaligen Kinderkurwesen geschildert werden. Diese Texte schließen sich jeweils einer Station von Petra an. Mit ihren verschiedenen Zutaten soll die Tour eine tiefergehen de Aufarbeitung der Thematik nicht ersetzen, so Jeanette Metz: „Wichtig: Das ist ein niederschwelliger Einstieg, es ist eine fiktive Geschichte, die anhand historischer Daten entwickelt wurde.“
Die historische Aufarbeitung, etwa durch weitere von Dr. Lena Krull betreute Masterarbeiten von Studenten, soll ebenfalls weiter gehen. Auch mit Blick auf die zunehmend intensivere Erforschung des früheren Kinderkurwesens zeigt sich Metz jedoch auch erfreut über die neue Tour: „Wir haben es dieses Jahr geschafft, Petra im Kurort zum Laufen zu bringen.“ Dies sei auch der Finanzierung durch das Projekt „Auf den Spuren des weißen Goldes“ im Rahmen des Bundesprogramms „Dive in“ zu verdanken. Gefördert wurde die Entwicklung der Tour zudem als „Citizen-Science-Projekt.
Tour mit Smartphone
Die Tour „Petras Kinderkur“ kann mit dem Smartphone durchgeführt werden. Dafür muss die SalzweltenApp geladen werden. Entsprechende QR-Codes finden sich auf der Homepage www.westfaelische-salzwelten.de.