Fleur de Sassendorf (in Anlehnung an das bei Gourmets hoch geschätzte Fleur de Sel aus Frankreich) nennt „Siedemeister“ Melcher diese Qualität mit wertvollen Mineralstoffen aus den Tiefen des Erdreichs. Er versteht sich darauf, Sassendorfer Salz nach alter traditioneller Handwerkskunst zu gewinnen und denkt während des komplexen Vorganges sicher oft an die Sälzerknechte der Vergangenheit. Sie brauchten, schildert er, Fachwissen, Fleiß, Geschick und Geduld für einen hoch angesehenen Beruf, der jedoch kaum zum Broterwerb für eine ganze Familie reichte. Was sie leisteten, war richtig harte Arbeit, ein Knochenjob und eine Wissenschaft für sich.
Die Tür der modernen Siedehütte an den Westfälischen Salzwelten ist geöffnet, und Dieter Melcher steht an der neuen Pfanne, die elektrisch mit einer Temperatursteuerung betrieben wird. Heizstäbe erwärmen die Sole im offenen Becken.
Im vorigen Herbst ist das für Bad Sassendorf entwickelte Unikat – eine 160 Kilogramm schwere Metallkonstruktion – mit einem Spezialtransporter eingetroffen. Seither erprobt der ehrenamtliche Mitarbeiter des Erlebnismuseums die Grundeinstellungen, um mit Erfahrung und Experimentierfreude zu einem hervorragenden Ergebnis zu kommen. Er erzählt, wie er zunächst die Sole aus der Zisterne des Gradierwerkes geholt hat. Es handelt sich um Wasser aus der fast schon legendären Bohrung 14 auf der Hepper Höhe mit einer Salzkonzentration von 7 Prozent.
Dieter Melcher praktiziert das überlieferte Handwerk, berichtet den Besuchern über das „Stören“ und „Soggen“ und führt sie in die Abläufe der „Salzernte“ ein. Er erhitzt die Sole, und sobald das Wasser zu sieden, also zu verdampfen, beginnt, bilden sich die Kristalle. Das hört sich einfacher an, als es ist. Das Verfahren mit mehreren Phasen nimmt viel Zeit in Anspruch, aber der Aufwand lohnt sich, ist der Siedemeister neuer Zeit überzeugt.
Das Team der Westfälischen Salzwelten lädt zum Entdecken und Forschen ein, in Workshops an der Siedepfanne lernen die Gruppen die Schritte eines langen Weges vom Einheizen bis zum Garen samt Abschöpfen, dem Abtropfen und Trocknen kennen. Am Ende nehmen die Teilnehmer eine kleine Ration des Würzmittels mit nach Hause, das sie vielleicht auf den Geschmack für einen weiteren Besuch bringt.
Am Internationalen Museumstag (Sonntag, 15. Mai) kommen die Besucher gratis auf ihre Kosten. Das ist der offizielle Startschuss: Dieter Melcher freut sich, dass die neue Siedepfanne nach zwei Jahren endlich in Betrieb genommen werden kann. „Das Zusammenspiel von Form, Funktion und Technik wurde genau aufeinander abgestimmt, damit zukünftig feinstes Bad Sassendorfer Salz gesiedet werden kann“, sagt er. In den vergangenen Wochen hat er viele Stunden für Probeläufe und die Feinjustierung aufgebracht. „Jetzt ist es an der Zeit, unsere Besucher und Besucherinnen in das ,Geheimnis’ des Salzsiedens an dieser einmaligen Pfanne einzuweihen“, sagt Melcher, der mit großem Engagement federführend bei der Umsetzung des Projektes mitgewirkt hat.
Für die Optimierung des pädagogischen Angebots auf dem historischen Hof Haulle gab die NRW-Stiftung dem Förderverein einen Zuschuss. „Es gibt nur noch wenige Orte am Hellweg, an denen die Tradition der Salzproduktion vermittelt wird. Im Erlebnismuseum Westfälische Salzwelten gehen Besucher dem weißen Gold und seiner für die Region bedeutenden Wirtschafts- und Sozialgeschichte auf den Grund“, heißt es in der Begründung.
Jeder weiß: Ohne die richtige Prise Salz schmeckt das Essen fad und fehlt dem Leben Würze, es ist unentbehrlich. Dieter Melcher kennt viele Geschichten rund um die einstige Kostbarkeit, die heute als Allerweltserzeugnis für kleines Geld in jedem Supermarkt zu haben ist.
Die Besucher erfahren von ihm, was es zum Beispiel mit der Beigabe von Ochsenblut und Bier während der Herstellung auf sich hat, warum das tatsächlich funktioniert und welch hartem „Regiment“ die Hüttenknechte einst ausgesetzt waren. Sie mussten sich streng an die Regeln halten, die erforderlichen Anordnungen blieben dem Betriebs-Beamten vorbehalten, heißt es im Auszug einer alten Schrift, der als Ablichtung an der Wand hängt. Für Zuwiderhandlungen mussten sie eine Geldstrafe von fünf Silbergroschen bis zu einem Taler zahlen, ist dort zu lesen. Bei mehrfacher Wiederholung, „besonders, wenn daraus auf Ungehorsam oder Widersetzlichkeit zu schließen ist, erfolgt zeitweise oder gänzliche Ablegung“. Das bedeutet: Sie mussten gehen!
Unter dem Motto „Museum mit Freude entdecken“ laden Museen am 15. Mai ein, ihre Ausstellungen zu erkunden. Auch die Westfälischen Salzwelten sind dabei, das Erlebnismuseum ist von 10 und 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Highlight des Tages wird das Sieden in der neuen Pfanne von 14 bis 17 Uhr sein.