Bezahlbarer Wohnraum bleibt sehr knapp

Bezahlbarer Wohnraum ist sehr knapp geworden, deshalb hat die SPD-Fraktion im Gemeinderat eine Diskussion angestoßen, ob die Gemeinde zum Beispiel im Rahmen einer Wohnungsbaugesellschaft tätig werden könnte. Den ersten Schritt zur Beantwortung dieser Frage stellten umfangreiche Informationen für den Haupt- und Finanzausschuss (HFA) über die Lage der Wohnungswirtschaft und über die Fördermöglichkeiten dar. Welche Schlüsse daraus gezogen werden können, soll die weitere Diskussion im Gemeinderat zeigen.
Bad Sassendorf – Erkennbar war im HFA allerdings eine gewisse Ernüchterung. Vor allem der Vortrag von Kai Schwendrat. Vorstandsmitglied bei der Kreis-Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft Soest (KWS) zeichnete für den Bereich der Wohnungswirtschaft eine aktuell sehr schwierige Lage. Explodierende Baukosten, deutlich steigende Immobilienzinsen, Handwerkermangel, Materialknappheit und ein Hin und Her bei den Förderkonditionen für Bundesmittel hätten zur Folge, dass Bauvorhaben oder Sanierungsmaßnahmen nicht durchgeführt oder aufgeschoben werden.
Dies treffe auch Wohnungbaugenossenschaften hart. Laut einer Umfrage des Dachverbands werde erwartet, dass etwa 24 Prozent der Bauvorhaben aufgegeben und 64 Prozent zurückgestellt werden. Bei Modernisierungsprojekten sehe es mit 12 beziehungsweise 67 Prozent ähnlich düster aus. So habe auch die KWS in Bad Sassendorf die für 2024 geplante energetische Modernisierung von drei Häusern mit 33 Wohneinheiten in der Schillerstraße wegen des Wegfalls von Fördermitteln zurückgestellt. Ärgerlich erscheine dies auch mit Blick auf den Klimaschutz, denn durch die Maßnahme sollten 90 Prozent gleich 60 Tonnen der bisherigen jährlichen CO2-Emission eingespart werden.
Düster fiel Schwendrats Prognose auch bezüglich der Mietpreisentwicklung aus. Gemäß der Mischkalkulation von Baukosten je Quadratmeter, Zinsen, Tilgung und Mindestrendite lag die erforderliche Nettokaltmiete für Neubauwohnungen Anfang 2021 bei 10,54 Euro je Quadratmeter. Unter Berücksichtigung der steigenden Baukosten und Zinsen liege die Nettokaltmiete nun, Ende 2022, bei 15,44 Euro.
Nach diesen düsteren Schilderungen trat Janine Constant vom Dezernat Regionalentwicklung des Kreises Soest mit dem Versuch an, anhand der Möglichkeiten der Wohnraumförderung die Lage wieder etwas aufzuhellen. Für die Wohnraumförderung des Landes ist der Kreis Bewilligungsstelle. Wohnberechtigungsscheine (WBS) könnten alle Empfänger von Transferleistungen bekommen. In NRW sei fast jeder zweite Haushalt berechtigt, bei den Rentnern hätten fast 80 Prozent Anspruch auf einen WBS. Zudem gebe es eine Förderung von Wohnraum als Eigentum zur Selbstnutzung, zum Beispiel durch Kauf. Hier kämen viel mehr Berechtigte in Betracht als oft gedacht. Bei einem Vier-Personen-Haushalt liege die Einkommensgrenze bei 4 953 Euro Brutto pro Monat.
Dass die Förderinstrumente greifen, verdeutlichte Constant an Bad Sassendorf. In der Gemeinde gibt es demnach aktuell 170 preisgebundene Mietwohnungen und 60 Wohnungen im Bereich der Eigentumsförderung. 2017 bis 2021 habe es Förderanträge für 34 Mietwohneinheiten/Mietwohnhäuser gegeben. 2022 wurde ein Antrag mit acht Mietwohnungen gestellt, für 2022/2023 ist ein Antrag mit zwölf Wohnungen in Arbeit.
Ergänzend erläuterte Bürgermeister Malte Dahlhoff, dass das sehr niedrige Zinsniveau der vergangenen Jahre die Inanspruchnahme von Wohnungsbauförderung gedrückt habe. Der Vorteil durch eine Förderung sei dadurch weggefallen. Jetzt öffne sich die Tür vielleicht wieder in Richtung Förderung.
Aus Sicht der Kommune forderte Dahlhoff eine planbare Gestaltung von Fördermitteln, um allgemeine Kostensteigerungen und höhere (energetische) Baustandards abzumildern. Baugenehmigungsverfahren oder die Aufstellung von Bebauungsplänen sollten beschleunigt und erleichtert werden. Dies gelte auch für die Umnutzung oder Nachnutzung von Bestandsgebäuden, gerade auch im Außenbereich. Die Gemeinde selbst könnte die Bodenvorratspolitik fortführen, eventuell unter Einbeziehung von Erbpacht. Zudem sollte die Gemeinde die Entwicklung städtebaulicher Konzepte für bezahlbares Wohnen fortsetzen, etwa durch städtebauliche Verträge mit Investoren. Dabei könnten außerdem gemeinnützig orientierte oder genossenschaftliche Vorhabenträger besonders berücksichtigt werden.
Nach der umfangreichen Information folgt die inhaltliche Debatte in der Ratssitzung am Mittwoch, 14. Dezember. Die öffentliche Sitzung im Tagungszentrum beginnt um 17 Uhr.
Dritte Wohnform in der Genossenschaft
Neben Eigentum oder Mietwohnung bieten Genossenschaften eine dritte Wohnform. Das erläuterte Kai Schwendrat von der KWS. Da Genossenschaften nicht auf Gewinnmaximierung aus sind, könnten sie günstige Konditionen bieten. Bundesweit werden zehn Prozent aller Mietwohnungen von Genossenschaften angeboten. Die 1936 gegründete KWS hat 1117 Wohneinheiten, in der Gemeinde sind es 129. Die durchschnittliche Netto-Kaltmiete lag 2021 bei der KWS bei 5,75 Euro je Quadratmeter, der Durchschnitt aller Mietwohnungen in Deutschland lag bei 7,18 Euro.