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Ein Dorf kümmert sich: Ganz Enkesen hilft Ukraine-Flüchtlingen 

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Von: Heyke Köppelmann

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Flüchtlingsfamilie in Enkesen
„Wir haben es gut angetroffen!“ Anna und Sherwan Lateef mit ihrer Tochter Karyna. © Köppelmann, Heyke

Anna und Sherwan Lateef mit ihrer sechsjährigen Tochter Karyna fühlen sich in der Dorfgemeinschaft von Enkesen im Klei wohl. Seit dreieinhalb Wochen leben sie dort. Sie genießen die Ruhe und sind froh, der Gewalt in ihrem Heimatland entkommen zu sein.

Enkesen im Klei – In der Ukraine herrscht Krieg. Wie lange noch, das kann niemand mit Gewissheit sagen. Das junge Ehepaar hofft inständig auf Frieden, denn es möchte so bald wie möglich nach Hause zurückkehren, um dort beim Wiederaufbau anzupacken. Die beiden wollen etwas tun, am liebsten sofort. Anna Lateef schildert, dass sie auch von Enkesen aus Kontakt zur Ukraine hält, um zu erfahren, ob sie irgendwie helfen kann.

Um die 1800 Kilometer liegen zwischen Bad Sassendorf und den wochenlang schwer umkämpften Gebieten um Kiew. Anna, Sherwan und Karyna Lateef kommen aus Uman, ein Ort mit 90 000 Einwohnern, 210 Kilometer südlich der Hauptstadt. Mit nur ein paar Habseligkeiten machten sie sich auf den Weg, um sich in Sicherheit zu bringen und Schutz zu finden. Der weite Weg in Ungewisse führte sie nach Bad Sassendorf, wo bereits viele Bürger bei der Gemeinde angerufen hatten, die Flüchtlinge bei sich aufnehmen oder sie mit Spenden unterstützen wollten.

Auch die Familie Sommer meldete sich: „Bei uns ist Platz!“ „Dann ging alles ganz schnell“, erzählt Daniela Sommer. Schon kurz darauf trafen die Flüchtlinge ein. Das Ehepaar Lateef kam zu Sommers, eine Mutter mit ihrer 17-jährigen Tochter zu einer weiteren Familie in Enkesen.

Die Bürger des kleinen Ortes mit gerade 180 Einwohnern bewiesen einmal mehr großen Gemeinschaftssinn. Die Dorfgruppe schickte Nachrichten per WhatsApp raus, um zu organisieren, was die Neuankömmlinge für ihren Start brauchten. Dabei ging es um ganz praktische Sachen, wie zum Beispiel Haushaltsgeräte. Zu einem Treffen am Feuerwehrgerätehaus brachte jeder mit, was er zur Verfügung stellen konnte, etwa Töpfe, Schüsseln oder Pfannen für die Küche, ebenso Spielzeug und Kleidung. Anna Lateef bedankt sich herzlich: „Die Leute sind so freundlich, sie bemühen sich um uns, sie begrüßen uns höflich, stellen ihre Zeit zur Verfügung und kümmern sich um uns. Das ist schön.“

Osterbräuche in der Ukraine

Anna Lateef erzählt von den Osterbräuchen, die sie von ihrer katholischen Oma kennt. Zu dem Fest gehöre bei ihnen zu Hause auf jeden Fall der Osterkuchen, der aus einem luftigen Teig besteht und im Backofen aufgeht.

Tradition ist es auch, Osterkörbe mit Lebensmitteln vom Geistlichen segnen zu lassen. Einen Osterhasen gibt es in der Ukraine nicht. Das orthodoxe Osterfest findet eine Woche nach dem hiesigen statt.

Auch die ländliche Gegend gefällt ihr: „Wir haben es gut angetroffen.“ „In Enkesen hilft man sich“, stellt Ortsvorsteher Reinhard Varnholt pragmatisch fest. Er weiß, dass auf die Solidarität der Dorfbewohner Verlass ist.

Die Lateefs gehören schon dazu. Am warmen Frühlingsabend sitzen sie bei Sommers auf der Terrasse, und die Kinder spielen miteinander. Die Söhne der Sommers, der zehnjährige Levin und sein vierjähriger Bruder Luuk, nehmen Karyna in ihre Mitte, der Familienhund tollt mit ihnen über die Wiese. Die Erwachsenen unterhalten sich auf Englisch oder mit der Übersetzungs-App, die Kinder kommen auch in unterschiedlichen Sprachen miteinander klar. „Sie verstehen sich gut“, sagt Daniela Sommer.

Karyna hat in der Schule schon viele andere Kinder kennengelernt. Ihre Eltern schauen sich etwas in der Umgebung um und besuchen zum Beispiel Städte in der Nähe. Sie nutzen den Bus und finden sich, wie sie erzählen, im zunächst ungewohnten Alltag inzwischen zurecht. Wie sie die Feiertage verbringen? Da müssen sie gar nicht lange überlegen, meint der Ortsvorsteher. Natürlich laden die Enkeser sie zum Osterfeuer ein. Familie Lateef ist mittendrin und wird voll ins Geschehen einbezogen. So ist das auf dem Dorf.

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