Anfangs war es auch nur eine kleine Gruppe Haushalte, die sich direkt begeistern ließ. Als alle merkten, dass dass es eben nicht stinkt und wie viel man spart, stieg fast das ganze Dorf ein. Denn nur vier Cent kostet die Kilowattstunde, „die Leute haben hier immer die Hälfte dessen bezahlt, was anfallen würde, würden wir mit fossilen Brennstoffen heizen“, meint Varnholt. Zu den zufriedenen Kunden gehört Reimund Eberth: „Störungen gab es nie“, meint der Musiker, „und die Ersparnis ist enorm. Gerade jetzt potenziert sich das. Vorher hatten wir mit Flüssiggas geheizt, und ich würde sagen, es kostet mich jetzt nur noch die Hälfte.“ Varnholt ergänzt: „Bei den aktuellen Preisen dürfte es sogar nur noch ein Viertel sein.“ Apropos Störungen: Damit es dazu nicht kommt, hat Varnholt gleich vier Anlagen gebaut, „und dass alle vier gleichzeitig kaputtgehen, ist sehr unwahrscheinlich.“
Gut, auch bei ihm steigen die Kosten, zum einen für die Rohstoffe, zum anderen für Strom, obwohl er ja selber produziert. Aber er ist noch nicht komplett autark und muss zum Betrieb der Anlage Strom hinzukaufen, denn anfangs sei es günstiger gewesen, den eigenen Strom einzuspeisen und sich vergüten zu lassen und für den Eigenbedarf Strom hinzuzukaufen. Daher werde sein Preis wohl auch bald geringfügig ansteigen. Aber eine Photovoltaikanlage und zur Ergänzung ein kleines Blockheizkraftwerk zusätzlich zu den vier großen, die für den Betrieb der Anlage nötig sind, sollen dem bald Abhilfe leisten.
Diese geringen Preise waren oder sind möglich, obwohl erst die Infrastruktur gelegt werden musste – Strom und Wärme werden ja nicht per DHL von der Biogasanlage nach Hause geliefert. „Aber ich habe mir eigens einen Bagger dafür gekauft“, erzählt Varnholt, wie er die Rohre selber verlegte. Wenn jetzt jemand nachträglich noch ans Netz wollte, würde es jedoch teuer: Für einen Haushalt alleine könne man keine Fördergelder beantragen, meint Varnholt.
Sein Hauptprodukt ist Strom, daneben produziert er Fernwärme. Das Biogas entsteht zu gleichen Teilen zum einen aus Mist von umliegenden Höfen, Geflügelmist von der Nährstoffbörse und Gülle von den eigenen Schweinen sowie zum anderen aus Maissilage, also klein geschreddertem Mais, und Zuckerrüben – die baut er auf zehn Hektar eigens hierzu an. Rüben, die über das hinaus produziert werden, was die Zuckerfabriken verarbeiten können. Und der Zucker bringt Energie, nicht nur im menschlichen Körper, sondern auch in der Biogasanlage. Varnholt: „Und sie haben gegenüber Mais den Vorteil, dass sich viele Menschen über ihn aufregen, weil er so hoch wächst.“
In Zeiten, in denen die Landwirtschaft es sehr schwer hat, sichert die Anlage Henning Varnholt und seiner Familie auch die Existenz. Die Schattenseite: „Mindestens zweieinhalb Tage der Woche gehen rein für die Büroarbeit drauf.“
Gut, man mag einwenden, was in einem so kleinen Dorf möglich ist, wird sich wohl kaum in die Stadt übertragen lassen – oder gar in die Großstadt. Eine Biogasanlage für ganz Soest, wohin damit? Oder gar für Dortmund? Varnholt winkt ab: „Das gefilterte Gas könnte man genauso gut in die bestehenden bundesweiten Erdgas-Leitungen einspeisen und vom Land aus auch die Städte versorgen, ohne sie für neue Leitungen aufreißen zu müssen. Und da gibt es keinen qualitativen Unterschied zwischen russischem Gas und Biogas. Nur, politisch ist das offenbar nicht gewollt. Robert Habeck spricht immer nur von Windrädern und Photovoltaikanlagen. Das sind ja auch gute und günstige Techniken. Es ist aber nicht immer windig, es scheint auch nicht ständig die Sonne. Wir können immer liefern. Ein Fachverband hat das bereits durchgerechnet: Würde man sämtliche Biogasanlagen in Deutschland bündeln und würden alle ihre Leistung um 20 Prozent erhöhen, was technisch innerhalb kürzester Zeit möglich wäre, dann könnte man damit Nord Stream 1 und 2 komplett ersetzen.“