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Helfer auf vier Pfoten: „Sehsterne“ dürfen jetzt mit hinein

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Von: Sarah Hanke

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Das Rathaus in Bad Sassendorf heißt Assistenzhunde ab sofort willkommen: Bürgermeister Malte Dahlhoff nahm die Auszeichnung von den Pfotenpiloten (von links) Petra Falke, Heike Ferber und Esther Wilmes (Assistentin von Heike Ferber) entgegen.
Das Rathaus in Bad Sassendorf heißt Assistenzhunde ab sofort willkommen: Bürgermeister Malte Dahlhoff nahm die Auszeichnung von den Pfotenpiloten (von links) Petra Falke, Heike Ferber und Esther Wilmes (Assistentin von Heike Ferber) entgegen. © Peter Dahm

Nicht immer sind Assistenzhunde willkommen. Ein Problem für Menschen mit Einschränkungen wie Heike Ferber, die im Alltag auf die Helfer auf vier Pfoten angewiesen sind. Bad Sassendorf setzt hier jetzt ein Zeichen: Ab sofort sind Assistenzhundeteams im Rathaus gern gesehene Gäste.

Bad Sassendorf – Die Gemeinde erhielt vom Verein Pfotenpiloten e.V. die Auszeichnung „assistenzhundfreundliche Kommune“. Der Hinweis dazu findet sich direkt am Eingang: Die Tür zum Rathaus wurde bereits mit dem Aufkleber „Assistenzhund willkommen“ ausgestattet.

„Wir machen uns derzeit als Gemeinde auf den Weg, um an verschiedenen Stellen mehr Barrierearmut zu schaffen und Teilhabe zu ermöglichen“, sagt Bürgermeister Malte Dahlhoff. Die Auszeichnung sei in diesem Sinne ein weiterer Baustein. „Wir wollen hier auch ein Stück weit Vorbild sein und hoffen, dass andere Gemeinden, Gastronomien und Einzelhandel nachziehen.“ Die Assistenzhundaufkleber sind deshalb auch im Rathaus erhältlich.

Zuversichtlich zeigte sich der Bürgermeister auch bei anderen städtischen Gebäuden: Britta Keusch, die als Geschäftsführerin des Tagungszentrums auch für die Salzwelten zuständig ist, habe schließlich selbst einen Hund und hatte zudem den Weihnachtsmarkt für die Vierbeiner in der Gemeinde mitinitiiert. Auch bei der Grundschule sei regelmäßig ein Therapiehund zu Besuch.

In Warstein und in den Gebäuden der Kreisverwaltung Soest ist man bereits dabei. „Möhnesee und Ense haben auch schon Interesse bekundet“, berichtet Heike Ferber von den Pfotenpiloten. „Bei der Stadt Soest gestaltet sich das noch ein bisschen schwierig.“ Doch auch hier habe man sich bereits auf den Weg gemacht.

Situationen, in denen ihre „Sehsterne“ – wie Heike Ferber ihre beiden Assistenzhunde liebevoll nennt – nicht akzeptiert werden und nicht mit rein dürfen, gehören leider noch zum Alltag. „Es gibt Bereiche, da fliegt man grundsätzlich raus“, so Ferber. Eine Erkrankung stellte ihr Leben vor gut zwölf Jahren auf den Kopf. Mit Mitte 40 verlor sie den Großteil ihrer Sehkraft: „Ich gelte gesetzlich zwar als blind, weil ich eine Sehkraft von unter fünf Prozent habe“, so Ferber.

„Ich habe aber noch einen brauchbaren Sehrest.“ Von da an war sie auf Hilfe durch ihren Mann oder Freunde angewiesen. Später übernahm diese Aufgabe Assistenzhund „Anton“: Der Labrador-Retriever-Mix ist inzwischen selbst in „Rente“ – auch seine Sehkraft hat mit dem Alter nachgelassen. Nun übernimmt Riesenschnauzer „Shadow“ den Job.

Oft stößt sie in Cafés oder Lebensmittelgeschäften auf Unkenntnis: Wegen „offener Lebensmittel“ wird ihr und dem Hund kein Zutritt gewährt. Blindenführhunde würden die meisten Menschen kennen, Assistenzhunde hingegen nicht unbedingt. „Was auch ganz problematisch ist: Taxi fahren“, so Ferber. „Was wir schon erlebt haben, ist unglaublich.“ Alle 30 bereitstehenden Taxen sei sie entlang gegangen – keines wollte das Assistenzhundeteam mitnehmen. Zum Termin in der Klinik in Münster kam sie zu spät. Die Helfer auf vier Pfoten ins Krankenhaus oder zur Kur mitnehmen zu dürfen, ist auch eher eine Seltenheit.

In ihrem Alltag ist Heike Ferber viel unterwegs – als Botschafterin der Pfotenpiloten und als Leiterin des „Pro Retina“-Arbeitskreises Makula. Immer mit dabei ist „Shadow“: Der Hund hilft ihr dabei, sich zu orientieren und übernimmt das Sehen für sie: Er hilft bei Treppen, der Suche nach Aufzügen oder Ein- und Ausgängen, beim Einstieg in Bus und Bahn und beim Finden eines freien Sitzplatzes.

„Ich habe mich noch nicht bei anderen auf den Schoß gesetzt“, sagt sie lachend. „Es ist einfach sehr viel schöner, mit dem Hund zu gehen, als mit dem Blindenstock“, sagt sie. „So ist man nicht mehr die Blinde, sondern die mit dem Hund.“ Für ihren Mann sei es ebenso ein schönes Gefühl zu wissen, dass sie nicht alleine unterwegs ist.

Nicht immer ist sofort sichtbar, dass sie für den Besitzer eine teils lebenswichtige Rolle übernehmen. So gibt es Diabetikerwarnhunde, die seinen Besitzer bei drohender Unter- oder Überzuckerung warnen, oder Kardioassistenzhunde, auf die Menschen mit Herzschrittmacher angewiesen sind. Anders als die Sehführhunde sollten diese Hunde nicht durch Streicheln abgelenkt werden, weil sie sonst wichtige Signale verpassen könnten. Sie sind immer im Dienst. Für „Shadow“ beginnt dieser erst, wenn Frauchen ihm das weiße Geschirr anlegt. PTBS-Assitenzhunde kommen bei Menschen mit posttraumatischen Belastungsstörungen durch Kriegserfahrungen zum Einsatz.

Zum 1. März 2023 tritt ein neues Assistenzhund-Gesetz in Kraft, das Menschen wie Ferber im Alltag Erleichterung schaffen könnte. Überall, wo Menschen mit Straßenschuhen sind, auch Assistenzhunde mitgenommen werden dürfen. Als Erkennungsmerkmale sollen die Vierbeiner künftig einheitliche Kenndecken tragen. Der Besitzer erhält einen Ausweis, der signalisiert, dass der Hund hier als Hilfsmittel eingesetzt wird.

Neues Gesetz

Die Assistenzhundeverordnung (AHundV) tritt am 1. März 2023 in Kraft. Sie regelt u.a., dass ausgebildete Assistenzhundeteams überall dort hinein dürfen, wo Menschen hindürfen. Kurz: Wo Menschen mit Straßenschuhen sind, darf auch ein nachweislich geprüftes Team (Kenndecke und Ausweis als Nachweis) hin. Das Gesetz definiert auch den Begriff Assistenzhunde und welche Hunde dies sind oder sein können.

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