Neuer Kia EV6 GT – erste Mitfahrt im koreanischen Elektro-Monster

Mit dem GT-Modell des Stromers EV6 bringt Kia sein stärkstes Serienauto auf den Markt. 585 PS und 740 Nm Drehmoment – schon die Mitfahrt ist ein Erlebnis.
- Von außen sieht der neue EV6 GT harmlos aus – aber innen steckt ein Tier.
- Der Sport-SUV hat zwei Elektromotoren – einen auf der Vorderachse, einen hinten.
- Achtung Porsche: In nur 3,5 Sekunden rennt der 2,3-Tonner von 0 auf 100.
So scharf, dass man ihn (noch) nicht selbst fahren darf. Da steht er nun, der neue Kia EV6 GT. Er ist das stärkste Serienmodell der Koreaner und bringt 585 PS auf die Straße. Vor uns steht ein Prototyp dieser Gattung. Er unterscheidet sich nur marginal vom „normalen“ EV6*. Senkrechte Linienführung bei den vorderen Schürzen, gelbe Bremssättel, 21 Zoll große Räder und ein angedeuteter Diffusor am Heck. Man fühlt sich wie beim Bilderrätsel „Original und Fälschung – finden Sie die fünf Fehler!“ Dass es kaum Unterschied gibt – macht nichts, denn der EV6 sieht auch so schon ziemlich gut uns sportlich aus. Da muss das Spitzenmodell optisch nichts mehr draufsetzen – das tut es schon bei Motor und Antrieb und zwar ziemlich gewaltig.

Auf Knopfdruck ein Power-Monster
Vielleicht liegt es daran, dass noch nicht alles final abgestimmt oder homologiert ist – jedenfalls dürfen wir im Prototypen nur auf dem Beifahrer-Sitz Platz nehmen. Auch hier macht Gelb den Unterschied, zum Beispiel bei den Kontrastnähten. Und die Sportsitze finden sich so ebenfalls in keinem anderen EV6-Modell. Dass sie durchaus Sinn machen, stellen wir bei der rasanten Fahrt anschließend über die Autobahn bei Frankfurt fest. Kleines Detail – große Wirkung. Am Lenkrad sitzt ein gelber Knopf, den man nur drücken sollte, wenn man freie Bahn hat. Er stellt alle Regelsysteme auf scharf und macht aus dem normalen EV6 ein Power-Monster.

3,5 Sekunden von 0 auf Tempo 100
Dass der GT ein besonderes Elektroauto ist, das auch dem Porsche Taycan Turbo S gefährlich werden kann, verdankt der Kia seinem technischen Vater. Albert Biermann setzte schon bei BMW M dynamische Akzente und war dann bei der Hyundai Motor Group, zu der auch Kia gehört, als erster Nicht-Koreaner Chef der Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Unter seiner Ägide entstand die Elektro-Plattform E-GMP auf der neben dem EV6 oder der Ioniq5 von Hyundai steht. Und natürlich jetzt auch der GT. Offiziell wird er als „vollelektrisches Hochleistungs-Crossover für die neue Ära nachhaltiger Mobilität“ bezeichnet.
In Wirklichkeit ist der GT ein Viech im Blechkleid. Im Vergleich zum bisher leistungsstärksten EV6, der in der Tat eine Kreuzung aus Limousine, SUV und Coupé ist, bringt er 250 PS mehr auf die Straße. 585 (oder 430 kW) sind es, um genau zu sein. Losgetreten werden sie von zwei Permanent-Magnet-Synchronmaschinen. Die kleinere (218 PS) sitzt vorne, die größere (367 PS) hinten. Damit lässt sich der Allradantrieb fein dosieren, je nach Anforderung der Straße oder nach Lust und Laune des Fahrers. Das Drehmoment liegt bei 740 Newtonmetern – und damit im Bereich einer Rakete beim Startvorgang (3,5 Sekunden von 0 auf 100).

Entspannung bis der gelbe Knopf gedrückt wird
Jetzt könnte man vortrefflich darüber sinnieren, ob es Sinn ergibt, grundsätzlich auf effektivere Antriebe wie Stromer umzustellen und gleichzeitig die Motor-Power unendlich nach oben zu schrauben. Denn auch hier gilt: Mehr Leistung kostet mehr Energie – und der Strom kommt halt nicht nur aus der Steckdose. Dass so ein Auto wie der Kia EV6 GT ziemlich viel Spaß macht, ist unbestritten. Nur die Frage nicht, ob ein Auto so viel Spaß machen darf in diesen Zeiten. Aber vielleicht gilt ja noch der Spruch vom „leben und leben lassen!“. Dass die GT-Version des EV6 nicht nur Spaß macht, sondern eine Mords-Gaudi ist, das können wir sogar vom Beifahrersitz aus erfühlen. Erst geht es gemächlich Richtung Autobahn – Limousinen-Gefühl pur. Leise gleitet die Landschaft vorbei. So ein Elektroauto ist eine feine Sache, auch für die Ohren. So ruhig, so entspannend. Bis der gelbe Knopf am Lenkrad ins Spiel kommt.

Kleine Taste, große Wirkung
Sanft drückt unser Fahrer die kleine Taste – mit großer Wirkung. GT heißt, dass jetzt alle Fahrsysteme scharf gestellt werden. Das fängt bei den beiden Motoren an, die auf volle Leistung vorbereitet werden. Das machen die so genannten Inverter (von Kia selbst entwickelt) in der Hochleistungselektronik. Sie wandeln nicht nur die Gleichspannung der Batterie in die vom E-Motor benötigte Wechselspannung um, sondern überwachen und regeln die Aggregate in Sachen Drehmoment und Drehzahl. Inverter müssen blitzschnell und zuverlässig reagieren, nur so sind solche Leistungsanforderung möglich. Gleichzeitig wird im GT-Modus die Lenkung direkter, das Fahrwerk steifer. Das heißt: In den Kurven werden Wankneigung und auch das Aufbäumen bei starker Beschleunigung oder das Eintauchen beim Bremsen maximal unterdrückt.

Mehr Traktion durch das E-Sperrdifferenzial
Und dann tut er es, der Fahrer. Voll Stoff, Vollgas, volle Spannung. Auch bei Tempo 80 macht der EV6 GT einen gewaltigen Satz nach vorne und rennt wie eine Horde Wildpferde in kürzester Zeit auf 200 km/h. Die 260 Top-Tempo erreichen wir nicht an diesem Vormittag auf der Frankfurter Autobahn, aber wir sind geneigt es zu glauben. Diese Beschleunigung fühlt sich tatsächlich wie ein Raketenstart an. Aber einer, der nicht aufhören will. Die beanspruchten Halswirbel jedenfalls haben sich bedankt. Beim Bremsen braucht die E-Rakete EV6 GT aber keinen Fallschirm, hier genügen die größeren Bremsscheiben (380 x 34 mm vorne, 360 x 20 mm hinten) vollauf. Der Kia läuft unter vollem Einsatz seiner Power auch in den Kurven wie auf Schienen. Schließlich hat er ein elektronisches Sperrdifferenzial an Bord, welches das Drehmoment automatisch an die Räder mit dem stärksten Grip schickt. Damit hat man jederzeit optimale Traktion und letztendlich auch Fahrstabilität. Dass das keine graue Theorie ist, beweist unser Testfahrer. Der plötzliche Spurwechsel bei hohem Tempo ist exakt wie ein chirurgischer Eingriff

Unser Fazit zum Kia EV6 GT
Kann denn Leistung Sünde sein? Wir meinen nein, wenn man nicht andauernd mit Vollgas durch die Gegend fährt. Aber das tut man sowieso nicht, weil ein E-Auto wie der EV6 auch so schon ziemlich viel Spaß macht. Und manchmal ist es einfach schön zu wissen, dass man kann, wenn man will. Unabhängig davon, ob man es dann wirklich tut. (Rudolf Bögel) *tz.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.
Technische Daten Kia EV6 GT
Motor | Zwei Permanent-Magnet-Synchronmaschine |
---|---|
Maximale Leistung Frontmotor | 160 KW (218 PS) bei 4.400 – 9.000 U/min |
Maximale Leitung Heckmotor | 270 kW (367 PS) bei 6.800 – 9.400 U/min |
Maximale Gesamtleistung | 430 kW (585 PS) |
Maximales Gesamtdrehmoment | 740 Nm |
Batterie (Nennkapazität) | 77,4 kWh |
Kraftübertragung | Allrad |
0-100 km/h | 3,5 Sekunden |
Spitze | 260 km/h |
Ladeleistung (kW) | AC 2,3 bis 11,0; DC: 50,0 - 240,0 kW (Kia EV6) |
Ladedauer | Von 10 auf 80 Prozent in 18 Min. |
Reichweite | bis zu 424 km (bis zu 546 in der Stadt) |
Verbrauch | 20,6 kWh / 100 km |
Länge / Breite / Höhe | 4,70 / 1,89 / 1,55 m |
Leergewicht / Zuladung | 2.260 / 350 kg |
Anhängelast (gebr.) | 1.600 kg |
Kofferraum | 480 – 1.260 l (20 l vorne im Frunk) |
Preis | circa 70.000 Euro (Elektroförderung noch nicht abgezogen) |