Zugunglück von Aichach im Frühjahr 2018: Jetzt gibt es einen Strafbefehl gegen Fahrdienstleiter

Der Fahrdienstleiter hat nach dem schlimmen Zugunglück in Aichach im Frühjahr 2018 einen Strafbefehl bekommen. Die Staatsanwaltschaft nennt Details zu ihrer Anklage.
Update, 28. Januar: Strafbefehl gegen Fahrdienstleiter
Nach dem Zugunglück mit zwei Toten im schwäbischen Aichach ist gegen den Fahrdienstleiter ein Strafbefehl wegen fahrlässiger Tötung erlassen worden. Die Staatsanwaltschaft hat für den 25 Jahre alten Mitarbeiter der Deutschen Bahn (DB) eine zehnmonatige Bewährungsstrafe beantragt. Wie die Anklagebehörde am Montag mitteilte, habe das Amtsgericht in Augsburg den Strafbefehl entsprechend erlassen. Der Angeschuldigte kann nun allerdings noch Einspruch einlegen, dann käme es voraussichtlich zu einem Prozess.
Am 7. Mai 2018 war beim Aichacher Bahnhof ein Personenzug ungebremst auf einen stehenden Güterzug aufgefahren. Der 37 Jahre alte Lokführer des Zuges der Bayerischen Regiobahn und eine 73 Jahre alte Passagierin starben, weitere Fahrgäste wurden teils schwer verletzt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Fahrdienstleiter vor, dass er zwei schwere Fehler begangen habe und es deshalb zu dem Unglück gekommen sei. Der Strafbefehl lautet außerdem auf fahrlässige Körperverletzung in 13 Fällen und fahrlässige Gefährdung des Bahnverkehrs.
„Die Staatsanwaltschaft geht von menschlichem Versagen aus“, erklärte Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai. Es gebe keine Hinweise, dass der Fahrdienstleiter im Dienst alkoholisiert war oder sich beispielsweise durch sein Smartphone abgelenkt habe. Damit sehen die Ermittler deutliche Unterschiede zu dem schweren Zugunglück beim oberbayerischen Bad Aibling, wo vor drei Jahren beim Zusammenstoß zweier Züge 12 Menschen ums Leben kamen und 89 Passagiere verletzt worden waren. Dort hatte der Fahrdienstleiter mit seinem Handy gespielt und dadurch falsche Signale gesetzt. Er wurde zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.
In Aichach soll der Angeschuldigte versäumt haben, für das Gleis 2 des Bahnhofs, wo der Güterzug stand, eine sogenannte Hilfssperre am mechanischen Stellwerk anzubringen. Dann hätte kein weiterer Zug diese Schienen nutzen können, erklärte Nickolai.
Die DB hat mittlerweile begonnen, ältere Stellwerke mit zusätzlicher Sicherheitstechnik auszustatten, um künftig solche Unglücke zu verhindern. 600 Stellwerke sollen in den nächsten Jahren für zusammen 90 Millionen Euro nachgerüstet werden. Die Technik kann dann dort verhindern, dass ein Zug wie in Aichach auf ein belegtes Gleis geführt wird.
In den für die Nachrüstung vorgesehenen 600 Stellwerken kontrollieren bislang die Fahrdienstleiter nur auf Sicht, welche Gleise frei sind. Der 25-Jährige soll in Aichach nach Ansicht der Ermittler auch diese vorgeschriebene „Hinsehensprüfung“ versäumt haben, bevor er der aus Dasing kommenden Regionalbahn die Einfahrt erlaubte.
Ursprünglicher Artikel vom 11. Mai 2018
Aichach - Nach dem Zugunglück im schwäbischen Aichach mit zwei Toten und 14 Verletzten am Montag prüfen die Ermittler, ob der verantwortliche Fahrdienstleiter im Stellwerk womöglich zwei Gleise verwechselte.
Laut einer Vorabmeldung des Magazins Der Spiegel vom Freitag hätte der Personenzug eigentlich auf Gleis eins einfahren sollen, wurde jedoch durch eine manuelle Weichenstellung irrtümlich auf Gleis zwei geleitet und fuhr auf den dort stehenden Güterzug auf.
Frontal auf Lok gefahren
Der von Augsburg nach Ingolstadt fahrende Regionalzug war wenige hundert Meter vor dem Bahnhof Aichach frontal auf die Lok eines stehenden Güterzugs gefahren. Dabei kamen der 37 Jahre alte Lokführer des Personenzugs und eine 73 Jahre alte Passagierin ums Leben.
Den Ermittlungen zufolge könnte bei der möglichen Gleisverwechslung eine Besonderheit im Fahrplan eine Rolle gespielt haben: Von den 19 Regiozügen, die montags von Aichach nach Ingolstadt fahren, werden 17 planmäßig auf Gleis zwei abgefertigt. Nur der Zug um 06.11 Uhr und der Unglückszug um 21.16 Uhr nutzen Gleis eins.
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War Fahrdienstleiter abgelenkt?
Dem "Spiegel" zufolge prüfen die Ermittler, ob der junge Fahrdienstleiter, der erst ein gutes Jahr im Dienst gewesen sein soll, bei der Weichenstellung außerdem durch Gespräche abgelenkt gewesen sein könnte. In unmittelbarer Nähe seines Arbeitsplatzes im Stellwerk befinde sich ein Aufenthaltsraum.
Dort habe zum Unglückszeitpunkt offenbar ein Lokführer gewartet, der seinen Kollegen im Personenzug habe ablösen sollen - für die Ermittler ein wichtiger Zeuge. Der Fahrdienstleiter, gegen den wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung ermittelt wird, sagte bei der Polizei inzwischen ausführlich über den Unfall aus.
AFP