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Prinz Harry für Voyeure: Die royalen Memoiren „Spare“ und ihre Vermarktung

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Von: Jens Greinke

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Das Buch „Spare“ gibt tiefe Einblicke in das Leben von Prinz Harry - zu tief sogar? Die Memoiren zeigen dunkle Seiten aus dem Königshaus - der Tratsch ist sehr „offenhosig“, die Vermarktung ebenfalls.

Hamm - OMG! Oder, für die Älteren unter uns: Oh my God! Endlich haben wir mal wieder so richtig handfesten Klatsch und Tratsch aus dem englischen Königshaus, wobei das handfest hier durchaus wörtlich zu nehmen ist. „William knocked me to the floor!“ („William schlug mich zu Boden!“). Zack! Man schlägt beim Lesen von Prinz Harrys Bekenntnissen in dem Buch „Spare“ ebenfalls – und zwar immer wieder die Hand vor den Mund. Und, ganz ehrlich: Manchmal auch, um ein hämisches Grinsen zu verbergen.

Prinz Harry für Voyeure: Die royalen Memoiren „Spare“ und ihre Vermarktung

„Spare“ (deutsch: „Reserve“), die längst überfälligen Memoiren des bereits 38-jährigen Prinzen Harry, sorgen für einen fulminanten Start ins neue Klatsch-Jahr. Denn Harrys Enthüllungen über das englische Königshaus zeigen uns schließlich: Die Hochwohlgeborenen da oben in ihren Palästen sind auch nicht viel besser als wir hier unten im Maschinenraum. Manchmal sogar ganz im Gegenteil.

Prinz Harrys Familienprosa besteht nicht nur aus ein paar zunächst unbelegten Tuscheleien, die allenfalls als Füllmaterial für schludrig zusammengeschusterte Tratsch-Gazetten taugten, die schon meine Oma in der kohlenbeheizten Wohnküche ihres Zechenhauses gelesen hat. Nach dem Motto: Charles soll Diana mit Camilla betrogen haben, während sich Lady Di mit ihrem Reitlehrer auf ein Techtelmechtel einließ. Harry schafft sofort Fakten und schreibt offenhosig, wie es tatsächlich war: Als ihn beim ersten Mal auf einem Feld hinter einem Pub eine „deutlich ältere Frau“ „wie einen Zuchthengst“ behandelt hat. Tja, da kann Dianas Reitlehrer, den die englische Presse übrigens „Ratte“ nannte, einpacken.

Große Unterhaltung: Prinz Harry zeigt die Königsfamilie in „Spare“ als normale Großfamilie

Das ist große Unterhaltung für Voyeure, da kommen weder das Dschungelcamp noch der Bachelor noch irgendeine andere sinnentleerte Reality-Show mit. Das hier ist die wirkliche royale Wirklichkeit. Und es ist festzustellen: Wir haben es hier offenbar mit einer ganz normalen Großfamilie zu tun, bei der es nur wegen des vielen Personals höchstwahrscheinlich nicht aussieht, wie bei Hempels unterm Sofa. Aber deren Umgangsformen denen der Hempels nicht ganz unähnlich zu sein scheinen.

Endlich wissen wir nun auch, was es mit dem royalen Motto „Never complain, never explain“ („Niemals beschweren, niemals erklären“) auf sich hat. Es ist nämlich nicht auf die scheinbar vornehme aristokratische Zurückhaltung zurückzuführen, sondern es dient einzig und allein dazu, solche Enthüllungen möglichst zu verhindern. Dass der englische Palast derzeit „ohrenbetäubend schweigt“, wie Harry es ausdrückt, ist für den englischen Palast wahrscheinlich ganz gut so.

„Du hast deine Seele verkauft, Harry“: Die Vermarktung von „Spare“ läuft auf Hochtouren

Harrys Vermarkter haben für „Spare“ die perfekte Promotions-Maschine angeworfen, seit Tagen beherrscht das Thema die Schlagzeilen auf den bunten Seiten. Jaja, der Inhalt sollte bis zum heutigen Erscheinungstage so geheim bleiben wie einst die neuen Harry-Potter-Romane. Vergesst es! Wir wissen doch alle nicht erst seit der letzten Treibjagd auf Schloss Balmoral, wie der Hase läuft. Es wurde geleakt, was das Zeug hält, damit sich das Buch gut verkauft. Die englische Schlagzeilen-Produktion läuft auf solchen Hochtouren, wie wir sie seit den Zeiten des deutsch-englischen Fußball-Blitzkriegs nicht mehr erlebt haben, als unsere Spieler als „deutsche Panzer“ verunglimpft wurden, dabei waren sie damals doch nur bemitleidenswerte Rumpelfüße.

So veröffentlicht die „Daily Mail“ eine 17-seitige „Wahrheitsbomben-Special“-Beilage und lässt ihre Kolumnistin Jan Moir Prinz Harry als „nachtragendes Riesenbaby“ bezeichnen. Am Montag legte die Mail mit der Schlagzeile „Harry geht mit dem Flammenwerfer auf die Familienbeziehungen los“ nach. Das hatte Blitzkrieg-Qualität. Ganz schwarz malt der „Daily Express“, der empört behauptet: „Du hast deine Seele verkauft, Harry“.

In Bezug auf die Boulevardpresse sagte Harry nun im Interview mit dem Sender ITV, dass „einige (Familien-)Mitglieder beschlossen haben, mit dem Teufel ins Bett zu gehen“, um ihr eigenes Image zu rehabilitieren. Darauf kann man als Rezipient dieser satanischen Auseinandersetzung eigentlich nur ein herzliches „Vergelt’s Gott“ erwidern. Das Gute ist: Wir können die Selbstzerstörung dieser immer seltsamer anmutenden Institution nun relativ mitleidslos verfolgen, da die hochverehrte Queen ja nicht mehr unter uns weilt und das ganze unterhaltsame Elend miterleben muss. Schauen wir uns das Spektakel also weiter aus der Ferne an, wenn Prinz Harry nicht gerade in NRW ist. Und freuen uns, dass wir keine Monarchie haben. Wir danken Harry für seine tiefen Einblicke und den großen Spaß.

Sein Buch werden wir trotzdem nicht kaufen.

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