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NRW-Verfassungsgericht entscheidet über Etat

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Von Detlef Burrichter ▪ DÜSSELDORF Nie zuvor hing eine NRW-Landesregierung derart am seidenen Faden wie die rot-grüne Minderheitsregierung. Wenn der Verfassungsgerichtshof in Münster heute sein Urteil über den Nachtragshaushalt 2010 mit einer Rekordverschuldung von 7,1 Milliarden Euro verkündet, könnte das der Anfang vom Ende der Regierung von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sein. Ihr gesamter Politikentwurf steht auf dem Prüfstand.

Sorgen die Verfassungsrichter für einen Paukenschlag und erklären die enorme Neuverschuldung als unzulässig, sind Neuwahlen nach nur zehn Monaten Regierungszeit nur noch schwer aufzuhalten. Die CDU ist bereits wild entschlossen dazu. Die ungebremste Verschuldung des Landes komme als Wahlkampfthema bei den Bürgern gut an, glaubt CDU-Landesvorsitzender Norbert Röttgen.

Damit hatten SPD und Grüne nicht gerechnet. Schließlich sind die Umfragen für CDU und FDP nicht eben berauschend; auch hat Röttgen als Bundesumweltminister genug Ärger mit der Verlängerung der Atomlaufzeiten und der verkorksten Einführung des E10-Benzin. Wohl deshalb hatten die Koalitionsfraktionen vor zehn Tagen zuerst mit Neuwahlen gedroht. Und zwar für den Fall, wenn Union und FDP auch gegen den Haushalt 2011 erneut vor das Verfassungsgericht ziehen sollten.

Inzwischen jedoch rudert selbst die Regierungschefin kräftig zurück. „Grundsätzlich gilt: Wir streben keine Neuwahlen an, denn diese Regierung ist für fünf Jahre gewählt und unsere Koalition auf fünf Jahre ausgelegt“, sagte Kraft gestern. Doch das Problem ist damit nicht vom Tisch. Röttgen kündigte am Wochenende auf dem Parteitag in Siegen bereits an, auch den Landeshaushalt 2011 vom höchsten NRW-Gericht überprüfen zu lassen, sollte Rot-Grün erneut mehr neue Schulden machen, als die Verfassung erlaubt. Um diese Vorgabe zu erfüllen, müsste die Landesregierung über 3 Milliarden Euro gegenüber ihrem Etatentwurf einsparen. Die Ministerpräsidentin hat bereits mehrfach erklärt, dass dieses Ziel kurzfristig nicht zu erreichen ist. Das Land sei strukturell unterfinanziert. Selbst drastische Maßnahmen wie ein völliger Einstellungsstopp brächten bei weitem nicht die erforderliche Masse.

Verbieten die Verfassungsrichter der Landesregierung heute das weitere Schuldenmachen, ist Krafts Politikentwurf gescheitert. Markenzeichen ihrer Regierung ist die präventive Haushaltspolitik: 1 Milliarde Euro zusätzlich will Kraft in diesem Jahr für Bildung und Kinder „investieren“, um in späteren Jahren soziale Folgekosten zu vermeiden. Besser ausgebildete Jugendliche produzieren langfristig mehr Wirtschaftswachstum und höhere Staatseinnahmen, ist die SPD-Politikerin überzeugt.

Sollten die Verfassungsrichter der Regierungschefin tatsächlich derart in den Arm fallen, wäre das ein einzigartiger Vorgang in der Landesgeschichte. Neuwahlen noch in diesem würden dann möglicherweise unausweichlich. Das sieht auch Kraft wohl so: „Wenn die Opposition auf Dauer die Debatte über die Umsetzung des Wählerwillens vom Parlament auf das Verfassungsgericht verlagert, müssen die Wählerinnen und Wähler erneut über den weiteren Kurs für NRW entscheiden“, sagte Kraft gestern.

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