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Das Zentrum der Warmherzigkeit in Stocklarn

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Die Alpakas Heinz (links) und Chewbacca sind die neuesten Mitbewohner auf dem „Sternschnuppen-Hof“ in Stocklarn.
Die Alpakas Heinz (links) und Chewbacca sind die neuesten Mitbewohner auf dem „Sternschnuppen-Hof“ in Stocklarn.

STOCKLARN ▪ Intensive Betreuung eines Pflegekindes, Angebote zur Theater- und Zirkuspädagogik und bald eine tierische Therapiemöglichkeit mit Alpakas: Der „Sternschnuppen-Hof“ der Familie Sbosny-Wollmann in Welver-Stocklarn ist im Begriff, ein vielseitiges Zentrum der Warmherzigkeit zu werden.

Nur bei Berührungen an der Flanke reagieren Heinz und Chewbacca noch etwas empfindlich. Dann preschen die beiden jungen Wallache kurz davon, um nur wenig später wieder neugierig auf den Besucher zu zu stelzen und ihn von allen Seiten zu beschnuppern. Mit ihrem Erforschungstrieb, ihrer Zutraulichkeit und ihrem ulkigen Aussehen sind die beiden Alpakas optimal für ihren zukünftigen „Job“ geeignet: Sie sollen tierische Therapeuten auf dem „Sternschnuppen-Hof“ der Familie Sbosny-Wollmann in Stocklarn werden.

Seit September wohnt die große Gemeinschaft, zu der außerdem noch zwei Söhne, ein Pflegekind, ein Hunde-Quartett und eine Gruppe Nagetiere gehören, auf der Anlage im nordöstlichen Welveraner Ortsteil, die sozusagen ein vielseitiges Zentrum der Warmherzigkeit und des Kinderspaßes werden soll: Neben der Dauerbetreuung von Pflegesohn Maurice arbeiten die Wollmanns auch als Theater- und Zirkus-Pädagogen, planen Leseabende für Kinder – und nun eben auch ein Angebot zur tiergestützten Therapie.

Mit dem mobilen Theater auf Deutschland-Tour

Angefangen hat Martin Sbosny-Wollmann mit einem normalem Pädagogik-Studium, arbeitete mehrere Jahre im einem Kinderheim. „Aber dieses Distanz- und Nähe-Ding im Schichtbetrieb, das war einfach nicht das, was ich mir bis zur Rente vorgestellt habe.“ Also entschlossen sich die Wollmanns, sich zunächst mit ihrer Theater-Pädagogik selbstständig zu machen. Sbosny-Wollmann absolvierte eine zweijährige Vollzeit-Fortbildung, seitdem ist das mobile „Sternschnuppen-Theater“ in ganz Deutschland unterwegs, im Repertoire rund 20 Stücke für Kinder und mit Kindern, selbst geschrieben oder adaptiert. Und das ganzjährig: „Im Dezember haben wir elf Termine für unser Stück ‘Oh Tannenbaum’“, berichtet Sbosny-Wollmann. Im kommenden Jahr feiert das Sternschnuppen-Theater 20-jähriges Jubiläum, hinzu kommen mehrere feste Theatergruppen mit Jugendlichen in Dortmund.

„Damit kann man jedes pädagogische Ziel ansteuern“

Vor rund zwölf Jahren folgte dann der nächste Schritt: Zirkuspädagogik. Bei Ferienfreizeiten, mit AG’s an Schulen oder mit Kindergartenkindern erarbeiten die Pädagogen eine bunte Show, die die Nachwuchskünstler am Ende des Projekts präsentieren können. „Am Anfang habe ich nicht geglaubt, dass das auch im Kindergarten klappt. Aber selbst die Zweieinhalbjährigen finden ihre Position. Und die stolzen Eltern haben Tränen in den Augen“, erzählt der Pädagoge.

Neuestes Projekt ist nun die tiergestützte Pädagogik und Therapie für verhaltensgestörte Kinder. Je nach Vorgeschichte des Kindes soll über die Tiere die Persönlichkeitsentwicklung vorangebracht werden, zum Beispiel das Selbstvertrauen gestärkt werden: „Viele der auffälligen Kinder halten sich hinter ihrer großkotzigen Fassade für die größten Versager“, weiß Sbosny-Wollmann. „Über die Versorgung der Tiere, das Für-jemanden-da-sein, lernen sie, dass sie etwas Sinnvolles leisten können.“ Auch beim Abbau von Aggressionen, Hyperaktivität oder Bindungsstörungen helfe die tiergestützte Therapie oft enorm: „Jedes pädagogische Ziel lässt sich da gut ansteuern.“

So zum Beispiel bei ADHS-Patient Maurice, der 2010 als Pflegesohn zu den Wollmanns kam, nachdem er zuvor schon durch viele andere Familien „gereicht“ wurde. „Das ist 1:1-Betreuung, keine normale Pflege. 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Das muss man sich klar machen, bevor man so etwas eingeht“, sagt Martin Sbosny-Wollmann, der von den Trägern allerdings auch Hilfe zugewiesen bekommen hat: Bundesfreiwilligendienstler Tobias packt auf dem Hof mit an.

Theaterbühne in der Deele

Dennoch müsste der Tag für die Wollmanns am Besten 48 Stunden haben: „Seit Mai hatte ich drei freie Tage“, erzählt der Familienvater, der derzeit eine weitere Fortbildung in Hannover absolviert. So ist die Familie noch gar nicht dazu gekommen, richtig auszupacken. Die Deele, in der demnächst eine Bühne mit Traverse entstehen soll, auf der eine regelmäßig probende Theatergruppe ihre Stücke präsentiert, quillt über mit Kartons und Kisten. Trotz der vielen Arbeit sind die Wollmanns froh, den Schritt aus Dortmund aufs Land gemacht zu haben: „Das war schon immer unser Traum. Ein solcher Ort erdet einfach, wenn es in der schwierigen Arbeit hektisch und laut zugeht. Ich fühle mich wie in meinem eigenen Film, genieße und grinse die ganze Zeit.“

Auch die tierischen Hofbewohner sind offenbar glücklich mit dem neuen Zuhause: Die vier französischen Hirtenhunde kauen geräuschvoll an ein paar Möhren, die Nagetier-WG liegt entspannt in der Sonne. Nur die Neuankömmlinge Heinz und Chewbacca stoßen ab und zu noch Klagelaute aus, vermissen ihre alte Herde. „Da schaffen wir im nächsten Jahr Abhilfe, holen eine Stute dazu“, erklärt Sbosny-Wollmann. „Und zwei Esel. Und Hühner. Und bald kommen schon unsere Katzen...“

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