Wird giftiges Frackwasser zur Gefahr für Trinkwasser?

Warstein ▪ Fracking – noch vor wenigen Monaten wussten höchstens Fachleute den Begriff einzuordnen. Jetzt gibt es auch im Sauerland Vorstöße, um Erdgas aus so genannten „unkonventionellen Lagerstätten“ zu gewinnen.
Von Gabriele Schmitz
Nicht zuletzt wegen der damit verbundenen Risiken für Mensch und Trinkwasser hatten am Mittwoch Josef Wüllner, Erwin Koch und Gerd Flaig aus der Arbeitsgruppe „Fracking“ des Ausschusses für Stadtentwicklung, Umwelt und Wirtschaftsförderung zur Podiumsdiskussion in die Domschänke geladen. Mit MdL Thomas Eiskirch, Energiepolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion NRW, Werner Grigo und Reinhard Bonsch von der Bezirksregierung als Genehmigungsbehörde und Robert Dietrich, Geschäftsführer der Hochsauerlandwasser GmbH aus Meschede hatten die Veranstalter fachkompetente Redner geladen.
Die zum Einstieg ins Thema gezeigten Bilder legten die Gefahren des umstrittenen Verfahrens dar. Aufnahmen aus den USA, wo die Gasgewinnung mittels Fracking seit vielen Jahren erfolgt, zeigten brennendes Leitungswasser und wiesen seismographische Veränderungen in Bohrregionen auf. Eine Zunahme kleinerer Erdbeben konnte auch in Niedersachsen, Deutschlands Hauptförderland für Gas, nachgewiesen werden. Mehr als 300 Bohrungen hat es bislang in dem norddeutschen Bundesland gegeben. Fachleute warnen vor allem vor dem Substanzencocktail der dem Frackingwasser zugesetzt ist. Krebs, Nerven- und Nierenschädigungen sowie hormonelle Veränderungen könnten die Folge sein, wenn diese ins Grundwasser gelängen. „Ich entnehme Ihrem konzentriertem Schweigen, dass Ihnen das Thema unter die Haut geht“, stellte Gerd Flaig abschließend fest und erteilte das Wort Dipl.-Ing. Robert Dietrich. „Weltweit, so schätzen Experten, gibt es Erdgasbestände, die auf diese Weise genutzt werden können. In Niedersachsen und NRW wird sogar eines der größten Felder in ganz Europa vermutet – Fachleute gehen von bis zu 2,1 Milliarden Kubikmeter aus“, zeigte er auf und erläuterte die Verteilung dieser Gebiete an die Erdgaskonzerne. „Wintershall, Exxon Mobil und BNK Deutschland haben sich unter anderem in dieser Region so genannte Erlaubnisfelder gesichert, in denen sie Untersuchungen auf Erdgasvorkommen durchführen möchten. Wir sind hier durch das Gebiet „Falke South“ der BNK Deutschland betroffen. Eine Aufsuchungserlaubnis – also eine Genehmigung für Untersuchungen – hat der Konzern bereits am 18.6.2012 beantragt. Warstein liegt mitten in diesem Gebiet!“ Eine der größten Gefährdungen sieht Dietrich im Frackwasser, das auch nach der Bohrung zum Teil im Erdboden verbleibt. „Die Entsorgung ist komplett ungeklärt. Es gibt kein Verfahren um Frackwasser zu reinigen.“ Gemeinsam mit anderen Trinkwasserversorgungsunternehmen, die sich in der „Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr“ (AWWR) zusammengeschlossen haben, habe die Hochsauerlandwasser eine Verlautbarung herausgegeben, in der als oberstes Gebot, der Vorrang für die Trinkwassergewinnung vor der Rohstoffgewinnung stehe.
Dem konnte auch Werner Grigo von der Bezirksregierung beipflichten: „Das Thema hat bei uns als „Bergbehörde“ absolute Priorität.“ Im Folgenden bestätigte er die Vergabe von etwa 20 Aufsuchungserlaubnissen. „Aber dadurch passiert noch nichts. Sie brauchen eine Kaskade an Genehmigungen – die Aufsuchungserlaubnis ist die erste Phase und gewährt einem Unternehmen ausschließlich das Recht zur Aufsuchung eines Bodenschatzes in einem Feld.“ Für konkrete Maßnahmen, wie etwa Bohrungen, sei eine bergrechtliche Betriebsplanzulassung erforderlich. Er verwies darauf, dass die Bezirksregierung an die aktuelle Erlasslage gebunden sei. „Wir sind die Exekutive, nicht die Legislative.“ Er ging mit seinem Vorredner und den Forderungen der Landesregierung konform, indem er eine Änderung des Bergrechts begrüßen würde. „Das Bergrecht kommt nahezu aus dem Mittelalter. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Untersuchungs- und Gewinnungsbohrungen sollte in der heutigen Zeit darin verankert sein.“
„Ist das umweltverträglich – ja oder nein?“ Solange man diese Frage nicht ganz klar beantworten könne, dürfe es kein Fracking in NRW geben, machte abschließend MdL Thomas Eiskirch klar. „Vor der Zustimmung müssen einen ganze Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein. Dazu gehört die eindeutige und nachvollziehbare Minimierung der Risiken. Noch sind zu viele Fragen offen.“ Eiskirch begrüßte die weitgehende Übereinstimmung der Parteien zum Thema in NRW.
Zahlreiche Fragen konnten in der anschließenden Diskussion erörtert und beantwortet werden. Vor allem Elke Ibings Einwand, dass Grundwasser immer auch zum Teil unbekannten Fließwegen unterworfen sei, sorgte für Gesprächsbedarf. „Es ist doch möglich, dass unser Grundwasser teilweise auch aus dem Münsterland kommt – dort gab es 1995 eine Frackingbohrung.“ Dies bestätigte Werner Grigo: „Aber das war bislang der einzige Fracking-Fall in NRW.“
„Wir werden auch in Zukunft im Ausschuss und Rat sehr kritisch mit diesen Dingen umgehen und beobachten“, fasste Josef Wüllner den Abend zusammen und dankte Referenten und Zuhörern für ihr Interesse.