Hexenprozesse werden Thema im Rat

SOEST - Das Soester Stadtwappen sieht Hartmut Hegeler als verpflichtendes Symbol: „Sie haben den Schlüssel in der Hand, nicht nur die Zukunft zu öffnen, sondern auch die Türen aufzuschließen, über die man sonst nicht redet. Stellen Sie sich dem dunklen Kapitel der Hexenprozesse.“
"Geben Sie den Opfern die Bürgerehre und die Menschenwürde wieder", fordert Hegeler weiter. Hier Farbe zu bekennen, das bedeute auch, ein klares Signal gegen Hass und Hetze zu setzen und junge Leute für Unrecht zu sensibilisieren.
Menschen, die angeblich den bösen Blick hatten, die im Verdacht standen, schwarze Magie zu betreiben, einen Pakt mit dem Leibhaftigen geschlossen zu haben, die vermeintlich Unheil und Leid verbreiteten, wurden grausam verfolgt, gefoltert und hingerichtet.
Hartmut Hegeler aus Unna sprach am Mittwochabend im großen Sitzungssaal über die düstere Zeit in der Geschichte des christlichen Abendlandes – und im reformierten Soest.
Der Rat hatte zu diesem öffentlichen Vortrag eingeladen, um die Auseinandersetzung mit dem Thema deutlich zu machen. Es gibt eine interfraktionelle Arbeitsgruppe, die den weiteren Weg abstecken soll. Im vorigen Sommer nämlich hatte Karl Heinz Jaspert einen Bürgerantrag vorgelegt: Ihm ist es wichtig, das Ansehen der unschuldigen Opfer wiederherzustellen.
Im evangelischen Soest dauerten die Hexenprozesse fast ein halbes Jahrhundert, von 1570 bis 1616. Die Ratsherren verurteilten Menschen zum Tod durch Verbrennen. Das Kriminalprotokollbuch von 1555 bis 1616 nennt 67 Einzelfälle: Das Verzeichnis listet die Namen von 34 Frauen und 33 Männern auf. „Kaum ein historisches Thema hat die Menschen bis heute gefühlsmäßig so sehr bewegt“, weiß der Theologe Hartmut Hegeler, der sich seit gut zehn Jahren mit den schrecklichen Ausmaßen der Hexenjagd und des Wahns beschäftigt und mit dem Schicksal der Menschen auf dem Scheiterhaufen.
Die damaligen Mechanismen seien auch heute noch wirksam, meint er: die Suche nach dem Sündenbock, die Ablehnung und der Argwohn gegenüber Fremden, die üble Nachrede, der Neid... Der Pfarrer kämpft für eine späte Gerechtigkeit. „Hinsehen, nicht die Augen schließen“, hob zum Abschluss auch die stellvertretende Bürgermeisterin Christiane Mackensen hervor. „Gerüchteküchen gibt es auch heute noch“, sagt sie, „wie schnell wird über jemanden hergezogen.“ Der Rat müsse sich die Frage nach dem Umgang mit einem Phänomen des damaligen Zeitgeschehens stellen. - Köp.
Ein Beispiel: Anna Witthovedes
Besonders tragisch sei das Schicksal Anna Witthovedes aus Eineckerholsen, berichtet Hartmut Hegeler. Die Witwe mit vier Kindern sei von ihrem Mann ständig misshandelt worden. Dann schlug der brutale Stiefvater ihre kleine Tochter mit einem Forkenstiel. Anna Witthovedes zeigte ihn an, doch ihr Mann behauptete, sie wäre eine Hexe und habe das Kind totgezaubert. Das Gericht folgte den falschen Beschuldigungen des Ehemannes. Statt ihn zu bestrafen, brachten die Ratsherren Anna Witthovedes als vermeintliche Hexe auf die Folterbank. Der Scharfrichter quälte sie und brach ihren Widerstand. So gestand sie, eine Hexe zu sein. Die Ratsherren verurteilten sie 1585 zum Tode durch Verbrennen an der Soester Steinkuhle. Der brutale Ehemann ging straffrei aus. Barbara Krug-Richter arbeitete die Soester Hexenprozesse (1570-1616) für die Große Soester Stadtgeschichte auf.