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Soester Geschichte landet in der digitalen Welt

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Von: Bettina Boronowsky

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Dirk Elbert durchforstet das Stadtarchiv – die Ratsprotokolle der Jahre 1910 bis 1952 kann er bald mit einem Fingerwisch auf dem Tablet sehen. © Dahm

Soest - Der Protokollant der Ratssitzung im Januar 1923 hatte es sich einfach gemacht: Er klebte einfach einen Zeitungsbericht ins Protokollbuch. Darin wird über den Selbstmord des Bürgermeisters und die Reaktion der Stadtverordneten berichtet.

Diese Geschichte ist jetzt im Internet nachzulesen. Denn auf Anregung des Archivamts für den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat das Soester Stadtarchiv die Ratsprotokolle der Jahre 1910 bis 1952 digitalisieren lassen. Insgesamt 32 Archive aus dem LWL-Bereich machten bei dem Digitalisierungsprojekt mit, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert hat. 

Das Ziel: Schwellenangst gegenüber Archivalien verringern und „Appetit“ machen auf weiteren Kontakt zu Archiven. Die Ratsprotokolle sind im Internet gut lesbar, weil sie in der Regel mit der Schreibmaschine niedergelegt wurden. Auch die handschriftlichen Zusätze sind gut zu entziffern. 

Die jetzt digitalisierten Schriften hätten zwar noch nie zu den meistgefragten Objekten des Soester Stadtarchivs gehört, sagt Mitarbeiter Dirk Elbert. Gleichwohl können die Beschlüsse, die in den Büchern niedergeschrieben sind, zu den Akten führen, in denen die Entscheidungsfindung protokolliert sind. Eine Volltextsuche ist im Internet nicht möglich. 

Für weitergehende Recherchen muss sich ein (Hobby-)Forscher persönlich ins Archiv begeben. Schon aus den digitalisierten Protokollen lässt sich viel über Zeit und Zeitgeist erfahren: Im Dritten Reich waren die Protokollbücher ausgesprochen dünn. Kein Wunder, die Ratsmitglieder nickten Beschlüsse ja nur ab. Die Nachkriegs-Protokolle geben Auskunft über das Wirken der Militärregierung, die Vertreter zu den Ratssitzungen entsenden musste. Auch die Wahl von Hubertus Schwartz zum Bürgermeister und andere epochale Soester Ereignisse kann man nachvollziehen. 

Schutzfrist von 60 Jahren Das Jahr 1952 wurde mit Rücksicht auf das NRW-Archivgesetz gewährt, das für Akten, die dem Berufs- und Steuergeheimnis unterliegen, eine Schutzfrist von 60 Jahren vorsieht. Mit dem Digitalisierung-Projekt wurde den Soestern auch angeboten, eine alte wertvolle Archivalie scannen zu lassen. Dafür wählten die Fachleute das älteste Missivenbuch von 1505 aus, also Kopien von ausgehenden Schreiben der Stadt Soest. 

Das Buch ist der erste von insgesamt 33 Bänden mit einer Laufzeit von 150 Jahren (1505-1651), die einen ungehobenen historischen Schatz darstellen. Es handelt sich um Nachrichten an den Landesherren, an andere Behörden und an Privatpersonen. Die Handschriften mit ihren Siegelabdrücken, Durchstreichungen und hinzugefügten Sätzen laden geradezu zum Forschen ein. Die erste Runde des Digitalisierungsprojekts ist nun beendet. Ob und wie es nach der Auswertung durch die DFG weitergeht, kann Dirk Elbert nicht sagen.

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