Jobcenter ignoriert Gerichts-Urteil und streicht Hartz IV

Soest - Eine alleinstehende Mutter mit zwei Kindern aus Soest wartet derzeit vergeblich auf Hartz IV-Leistungen, obwohl das Sozialgericht in einer einstweiligen Anordnung das Soester Jobcenter angewiesen hat, das Geld auszuzahlen. Die forsche Begründung des Sachbearbeiters: Die Entscheidung des Gerichts sei „nicht korrekt“.
So jedenfalls gibt der Anwalt der Frau das Gespräch wieder, das er diese Woche mit dem Mitarbeiter geführt hat. Als Rechtsanwalt Jan Strasmann daraufhin das Sozialgericht anrief, erfuhr er, dass der Gerichtsmitarbeiterin, obwohl seit 20 Jahren dort angestellt, noch nie ein vergleichbarer Fall untergekommen sei.
„Wir wissen überhaupt nicht, wie wir damit umgehen sollen“, sagt der Anwalt. „Ich habe das nicht für möglich gehalten, dass sich eine staatliche Institution (Jobcenter) weigert, einen richterlichen Beschluss umzusetzen.“ Strasmann prüft nun, ein Zwangsgeld gegen das Soester Jobcenter zu beantragen und dort womöglich die Hartz-IV-Leistungen zu pfänden.
Was war passiert? Dem Sachbearbeiter des Jobcenters waren beim letzten Hausbesuch ein Paar Herrenschuhe im Flur aufgefallen. Daraus schloss er wohl, „dass ein Mann mit im Haus wohnt, der genug Geld hat“, so Anwalt Strasmann. Tatsächlich aber lebe seine Mandantin allein, die Schuhe gehören ihrem Ex-Mann, der gelegentlich vorbeischaue, um seine Kinder zu besuchen und vorübergehend abzuholen.
Martin Steinmeier, der Leiter des Soester Jobcenter, hat gestern auf Anzeiger-Anfrage den Sachverhalt bestätigt. Der betreffende Mitarbeiter habe tatsächlich das Geld trotz anderslautender Anweisung des Gerichts nicht ausgezahlt, sondern Beschwerde gegen die Gerichtsentscheidung eingelegt – und gehofft, dass binnen weniger Tage die nächste Instanz (Landessozialgericht) die Sache abschließend kläre.
Inzwischen hat sich das Jobcenter anders besonnen und entschieden, „jetzt sofort“ die Hartz-IV-Leistungen zu überweisen, so Steinmeier. Denn bis zu einer Entscheidung vor dem Landesgericht könnten noch Wochen vergehen. Im übrigen sei die Soesterin nicht mittellos, da sie Eltern- und Kindergeld beziehe. Doch das, so ihr Anwalt, reiche bei weitem nicht für Miete, Nebenkosten und das tägliche Essen.